Detlef Georg Siebert 1

 

Wachstum ohne Ende ... auch im neuen Jahrtausend?

Ökologische, ökonomische und demographische Stabilität
im 21sten Jahrhundert

 

Zusammenfassung

In der folgenden Arbeit wird einleitend kurz auf die frühen Computersimulationen der "Grenzen des Wachstums" Bezug genommen. Dabei geht es um die weiterhin offene Frage nach den Überlebensbedingungen unserer Spezies in diesem Jahrhundert. Anschließend erfolgt ein Sprung zur Darstellung aktuellerer und empirisch begründeter Berechnungen der Tragfähigkeit der Erde in Bezug auf die menschliche Population. Die extreme Spanne dieser Schätzungen liegt zwischen 8 und 25 Milliarden Menschen - diese Schätzwerte werden durch eine neue Begriffsdifferenzierung von "dynamischer, maximaler und stabiler Tragfähigkeit" zueinander in Beziehung gesetzt, um die Unsicherheit ihrer Schätzspanne logisch verständlich zu machen. Das Ausmaß zukünftiger Hungersnöte wird, auf Grund des empirisch gestützten Trends einer eventuell anhaltenden Nahrungsverknappung, beziffert. Kontrastiert wird dieses Negativszenario mit einem Positivszenario, das auf der Annahme eines langfristig robusten und anhaltenden weltwirtschaftlichen Wachstumspfades basiert. Der Wirkungsmechanismus des "demographischen Übergangs" zu einer wieder stabilisierten Weltbevölkerung wird kurz erläutert, um die Spanne der Bevölkerungsprojektionen zu erklären - diese Spanne korrespondiert mit der Spanne der Schätzgrößen zur Tragfähigkeit. Schließlich geht es darum, die wirtschaftlichen, kulturellen und weltsozialen Bedingungen zu umreißen, die erfüllt sein müssen, damit die Menschheit tatsächlich in die Lage versetzt wird, den mittleren Pfad zu einer bei 9-13 Milliarden Menschen stabilisierten Bevölkerung zu erreichen, die sich nachhaltig und ausreichend - ohne ökologischen Substanzverlust - ernähren kann. <001>


Inhalt

1. Dynamische, maximale und stabile Tragfähigkeit <Absatz 009ff>

2. Demographischer Übergang und Bevölkerungsszenarien <Absatz 034ff>

3. Wirtschaftsszenario und weltsoziale Stabilitätshilfe <Absatz 065ff>

4. Schlussfolgerungen <0Absatz 088ff>

Die ersten Computersimulationen der "Weltdynamik" schockierten 1971 die Öffentlichkeit: Absolute "Grenzen des Wachstums" seien in Sichtweite! In Anbetracht der starken Trägheitsmomente der globalen Dynamik in den Bereichen Bevölkerungsentwicklung, Ressourcenverbrauch und Ökologie könnten nur sofortige und drastisch gegensteuernde Politikeingriffe einen Zusammenbruch der industriellen Zivilisation aufhalten. Jay W. Forrester und ein Team um Donella und Dennis Meadows hatten in den frühen 1970er Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) diese Kernaussage der ersten computerbasierten Globalmodelle entwickelt. Sie etablierten damit eine Untergangswarnung, die das Ende des bis dahin ungebrochenen Fortschrittsglaubens der Industrialisierung markierte und die Basis aller späteren Negativszenarien unserer langfristigen Entwicklungsaussichten bildete. Sind diese Prognosen inzwischen eindeutig widerlegt oder haben sie immer noch eine Bedeutung? <002>

Die Modelle von Forrester und Meadows errechneten, dass eine fortgesetzte Wachstumsstrategie die Menschheit zwischen 2020 und 2030 in eine letzte, endgültige und kurzfristig nicht mehr abwendbare Katastrophe stürzen würde. Noch vor der Jahrtausendwende sollten wir in einen so genannten "Überschuss-Modus" geraten, der durch ein ungebremstes Industriewachstum schließlich zu gravierenden Engpässen in der Rohstoffversorgung führen würde. Es käme zum größten annehmbaren Unfall der Gattung mit einem vollständigen Zusammenbruch der Industrieproduktion, einem brutalen Kulturrückfall und einer scharfen Dezimierung der menschlichen Population.2  <003>

Befinden wir uns also inzwischen schon jenseits der insgesamt auf der Erde verkraftbaren Grenzen unseres physischen Wachstums, die innerhalb des Globalsystems ökologisch, ökonomisch und politisch determiniert sind? Selbst im Jahr 2001 ist diese Frage wissenschaftlich kaum unstrittig zu beantworten! <004>

Die weltdynamischen Modelle der "Grenzen des Wachstums" waren seinerzeit eine enorm anregende und fruchtbare Provokation: Das Interesse der Weltöffentlichkeit war geweckt und so wurden die Forrester/Meadows-Modelle umgehend mit einer Reihe ernst zu nehmender Kritiken konfrontiert. Die Essenz dieser Kritiken besagte, dass die Kollapslinien der frühen Computersimulationen nicht der wirklichen "Standardvariante" der erwartbaren Weltentwicklung entsprächen, aber als Grenzfall - eines zivilisatorischen Worst-case-Szenarios - unter bestimmten "letalen Bedingungen" auch weiterhin im Bereich des Möglichen liegen könnten.3 Auf diese Einschätzung komme ich am Ende der vorliegenden Arbeit zurück. <005>

Die Einzigartigkeit der weltdynamischen Modelle der Forrester-Schule bestand in ihrem systemisch umfassenden Ansatz, der versuchte, die quantitative Entwicklungsdynamik in den Bereichen Bevölkerung, Wirtschaft und Ökologie miteinander zu integrieren und mit einem gewagt langfristigen Zeithorizont bis zum Ende des 21sten Jahrhunderts abzubilden. Aus diesem sehr ehrgeizigen Anspruch ergaben sich andererseits gravierende Schwächen der Modelle: Entscheidenden Parametern der Konstruktionen fehlte eine fachwissenschaftlich überzeugende Fundierung und die Simulation der Welt als ein Block, ohne regionale Untergliederungen, vernachlässigte die Entwicklungsdynamik innerhalb und zwischen den Weltregionen. <006>

Um diese Mängel zu beheben, wurden die meisten seither neu entwickelten Globalsimulationen stärker fach- oder problemspezifisch ausgerichtet. Sie wurden gleichzeitig ständig detaillierter in ihren Bezügen zu messbaren empirischen Fakten und in der Regel wurden sie auch wesentlich vorsichtiger hinsichtlich der Länge der Prognosespannen. Im globalen Maßstab bedeutungsvoll sind heutzutage vor allem Modelle mit einer enorm aufwändigen empirischen Datenbasis, die zur Simulation der Bevölkerungs- oder der Klimaentwicklung dienen, sowie einzelne herausragende Studien zu zentralen ökologischen oder ökonomischen Fragen, auf deren Ergebnisse ich mich im Rahmen dieser Arbeit stützen werde. <007>

Rohstoff-Engpässe, Öko-Kollaps, Klima-Katastrophe ... waren das alles nur Scheinprobleme aus den grauen Vorzeiten eines neuen Wirtschaftswunders im Informationszeitalter? Es fällt schwer, sich ein gut integriertes und wissenschaftlich fundiertes Bild unserer Überlebenschancen für das laufende Jahrhundert zu machen. Aber trotz des insgesamt unbefriedigenden Forschungsstandes - in Bezug auf diese bedeutsame Frage - ist es möglich, einige Grundaussagen und Eckwerte aus den verschiedenen Gebieten zusammenzutragen: <008>

1. Dynamische, maximale und stabile Tragfähigkeit

Wieviele Menschen kann die Erde ernähren? Dieser Frage ging schon Thomas Malthus im Jahr 1798 nach und lag mit seiner Antwort völlig daneben.4 Auch den diesbezüglichen Prognosewert des ursprünglichen Forrester-Modells hat die Wirklichkeit bereits heute hinter sich gelassen, ohne dass es zum Kollaps gekommen ist. <009>

Trotzdem besteht keinerlei Anlass, sich entspannt zurückzulehnen und einfach auf den Selbstläufer des technologischen Fortschritts zu vertrauen. Denn auch neuere Berechnungen der Tragfähigkeit (carrying capacity) der Erde zeichnen ein wenig rosiges Bild. <010>

So kommt eine Prognose der Weltgetreideproduktion und der Fischfang-Kapazitäten, die Lester R. Brown und Hal Kane am Worldwatch Institute im Jahr 1994 erstellten, zu dem Ergebnis, dass sich die Ernährungssituation weltweit bis 2030 relativ verschlechtern wird, sofern eine Verlängerung der Trends des späten 20sten Jahrhunderts angenommen wird. Die Höhe des prognostizierten Nahrungsmittelmangels korrespondiert mit Projektionen anderer Experten.5 <011>

Letztlich ergibt sich eine Schätzung des weltweiten Nahrungsmittelmangels von etwa 530 Millionen Tonnen Getreide im Jahr 2030. Diese Schätzung basiert bezüglich der Angebotsseite auf qualifizierten (nicht schematischen) Trendverlängerungen der verfügbaren Anbauflächen, der Hektarerträge und der Süßwasserreserven - untergliedert nach den wichtigsten Weltregionen und Ländern. Auf der Nachfrageseite der Bevölkerungsentwicklung wurde die seinerzeitige Standardvariante der UN-Projektionen verwendet, die von 8,9 Milliarden Menschen in 2030 ausgeht. Das prognostizierte Defizit in der Nahrungsversorgung würde eine weitere Verminderung der - ohnedies schon unzureichenden - durchschnittlich pro Person verfügbaren Getreidemenge zur Folge haben: Und zwar von 346 Kilogramm in 1984 über 303 Kilogramm in 1993 auf rund 240 Kilogramm in 2030.6 <012>

Sollten sich diese Schätzungen bewahrheiten, so würde dies eine erhebliche Verschärfung des Hungers und der Unternährung in den armen Weltregionen bedeuten. Von den westlichen Industrieregionen (vor allem in Nordamerika und der Europäischen Union) wird angenommen, dass sie auch in Zukunft Überschüsse erzeugen und die Exporteure innerhalb des Weltgetreidemarktes bleiben - ihr Verbrauch pro Person dürfte sich also nicht vermindern. Die asiatischen Industrieregionen - vor allem Japan, Singapur, Südkorea, Taiwan und die Megastädte in China und Indien - dürften auf Grund ihrer wirtschaftlichen Stärke dazu in der Lage sein, ihren nicht durch Eigenproduktion gedeckten Getreidebedarf durch Importe zu sichern. <013>

Von besonderer Bedeutung für die Gesamtentwicklung der Welternährungslage sind die beiden Megaländer der Erde, China und Indien, die auf Grund ihrer enormen Bevölkerungsstärke und Größe jeweils so etwas wie eine Welt für sich darstellen: In beiden Ländern leben schon heute jeweils mehr Menschen als in allen traditionellen Industrieländern der so genannten "Ersten Welt"7 und beide Länder werden enorme Anstrengungen in ihrer Landwirtschaftspolitik unternehmen müssen, um keine relative Verschlechterung in der Nahrungsversorgung ihrer Völker zu erfahren. Insbesondere für China werden die Aussichten darauf, die pro Person verfügbare Getreidemenge von heute zu halten, nicht sehr optimistisch bewertet.8 Noch schwieriger dürfte schließlich die Situation in den übrigen "Entwicklungsländern", insbesondere in den allerärmsten werden, deren "Bevölkerungsexplosion" gerade erst begonnen hat.9 Hier wären - auf Grundlage der Projektionen von Brown und Kane - gravierende Engpässe der Nahrungsversorgung und sich dramatisch verschärfende Hungersnöte zu erwarten. <014>

Ingesamt ist diese Situation eines sich möglicherweise brutal verschärfenden Nahrungsmangels allerdings noch kein Indiz für die Überschreitung einer Grenze der absoluten bzw. maximalen Tragfähigkeit der Erde. Die hier bisher behandelte relative bzw. dynamische Tragfähigkeit ist das Ergebnis des Zusammenwirkens der drei folgenden Variablen: <015>

(1) Bewirtschaftungsfläche
Die Bewirtschaftungsfläche wird beeinflusst durch den Substanzverlust der Ökologie auf Grund der zum Teil gegebenen Übernutzung oder Vergiftung bzw. Verwüstung der Natur seitens der Menschen. Besondere Bedeutung hat dabei das Problem der Bodenerosion, das durch übermäßige Rodung und eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung verursacht wird. Andererseits ist aber auch noch eine begrenzte Neuerschließung von Anbauflächen auf dem Land durch zusätzliche Bewässerungsprojekte und die Rekultivierung von Brachland denkbar. Theoretisch ist hierüber hinaus eine groß angelegte Erschließung von vegetarischen Anbauflächen im Meer vorstellbar (Algenfarmen). Dagegen hat die Meeresfischerei mittlerweile eine offenbar vollständige Flächendeckung erreicht, die partiell sogar zu einer Überfischung geführt hat.
<016>

(2) Verbrauch
Die absolute Anzahl der lebenden Menschen und die ihnen eigenen   Ernährungsgewohnheiten bestimmen natürlich die Nachfrage nach Nahrung.
<017>

(3) Flächenerträge
Von entscheidender Bedeutung sind schließlich die tatsächlich gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Intensivierung der Bewirtschaftung ohne ökologischen Substanzverlust.
<018>

Innerhalb der Dynamik des Industrialisierungs- und Globalisierungsprozesses unterliegen alle drei genannten Variablen einer laufenden und insgesamt massiven Veränderung. Dabei bewirkte die seit etwa 1980 feststellbare Abnahmetendenz bei den Bewirtschaftungsflächen und die ungebrochene Zunahmetendenz beim Verbrauch insgesamt eine Verschärfung der Mangelsituation - nur die Steigerung der dritten Variablen konnte dem bislang noch begrenzt entgegenwirken: Während das Zusammenspiel dieser drei Variablen zwischen 1950 und 1984 zu einer stetigen Zunahme der pro Person verfügbaren Nahrungsmenge geführt hatte, kippte dieser Trend anschließend, sodass stattdessen der oben erwähnte Abnahmetrend im ausgehenden 20sten Jahrhundert festzustellen war.10 <019>

Über zweihundert Jahre Industrialisierung haben in den kapitalistischen Kernländern Westeuropas und Nordamerikas zu einer weitgehend stabilen, kaum noch wachsenden Bevölkerung geführt, die die Möglichkeit hat, sich bestens zu ernähern und die sogar noch landwirtschaftliche Überschüsse erzeugt. Im ebenfalls hochindustrialisierten Japan war es dagegen - vor allem auf Grund der hohen Bevölkerungsdichte und der traditionellen Konzentration auf den Reisanbau - nicht möglich, eine landwirtschaftliche Selbstversorgung zu sichern. Ähnliches gilt für Südkorea und Taiwan, die ebenfalls trotz bzw. wegen der Industrialisierung vermutlich dauerhaft auf Getreideimporte angewiesen sind. Offenbar ist es für asiatische Länder, auf Grund ihrer hohen Siedlungsdichte und ihrer Ernährungsgewohnheiten, erheblich schwieriger, Industrialisierung und landwirtschaftliche Selbstversorgung in Einklang zu bringen. <020>

Es ist also auch in dieser Hinsicht unwahrscheinlich, dass die Welt insgesamt die Entwicklung, die die europäisch-amerikanischen Urheber der Industrialisierung durchlaufen haben, 1:1 nachvollziehen wird. In Ost- und Südosteuropa, in den europäisch-asiatischen Ländern der Russischen Föderation bzw. der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Türkei, eventuell im Nahen Osten, in Teilen Nord- und Südafrikas, sowie in Mittel- und Südamerika könnte es noch am ehesten gelingen, die Industrialisierung mit der Erhaltung einer weltregionalen landwirtschaftlichen Selbstversorgung zu verbinden. In großen Teilen Afrikas und Asiens dürfte dagegen die Ernährungslage insgesamt auch langfristig - selbst unter den optimistischsten ökonomischen Annahmen, auf Grund der klimatischen, historischen und kulturellen Bedingungen - schwierig bleiben. <021>

Prinzipiell wirken deshalb die bisher hier referierten neueren Schätzungen einer dynamischen Tragfähigkeit plausibel. Unklar bleiben dabei allerdings noch die konkret entscheidenden Bandbreiten einer solchen Schätzung - ich komme hierauf zurück. Einen völlig anderen Schätzwert lieferte dagegen eine Berechnung aus den 1980er Jahren, die eine Tragfähigkeit der Erde von angeblich 25 Milliarden Menschen angibt: Dieser extrem hohe Wert des renommierten Ozeanographen Roger Revelle basierte vor allem auf der Annahme einer vollständigen Übertragbarkeit der hohen Flächenerträge der westlichen Industrieländer auf die übrige Welt.11 Die Vision einer zusätzlichen Erschließung völlig neuartiger Nahrungsressourcen über eine vegetarische Meeresbewirtschaftung - in Form von großtechnisch betriebenen Algenfarmen - mag den Schätzwert von Revelle in den Bereich des theoretisch Realisierbaren rücken. Derlei Annahmen entsprechen zwar nicht den - für die absehbare Zukunft der nächsten Jahrzehnte - plausiblen Bedingungen; sie zeigen aber das weiterhin enorme, bisher ungenutzte Potenzial zur Nahrungserzeugung auf, das die Erde uns bietet. <022> 

Die Schätzung von Revelle kann deshalb als eine Art theoretisch plausible und absolute Obergrenze bzw. als maximale Tragfähigkeit bezeichnet werden. Soweit also die Schätzungen der dynamischen und der maximalen Tragfähigkeit der Erde: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der enorme Spielraum in der Tragfähigkeit der Erde zwischen einem - in den nächsten 30 Jahren plausiblen - dynamischen Wert von etwa 8 bis 9 Milliarden Menschen und einem theoretischen Maximalwert von etwa 25 Milliarden liegt. <023>

Um sich nun dem Begriff einer stabilen Tragfähigkeit zu nähern, können wir versuchen, uns ein theoretisch optimales Verhältnis der genannten Variablen vorzustellen, das die Chance hat, über eine sehr lange Zeitspanne - von mehreren hundert oder gar mehreren tausend Jahren - hinweg im Gleichgewicht zu bleiben. <024>

(1) Es ist klar, dass über solche Zeitspannen hinweg kein noch so geringer ökologischer Substanzverlust tolerierbar sein kann. Die Rechnung ist äußerst simpel: Selbst 1 Promille Verlust an Bewirtschaftungsfläche pro Jahr würde die Gesamtfläche in 300 Jahren um ein Viertel reduzieren. Die im laufenden Wachstumsprozess der Menschheit verursachte ökologische Degeneration muss also möglichst schnell - mit Hilfe einer durchgängigen ökologischen Anpassung des Industriesystems - vollständig umgekehrt werden, um zu insgesamt wieder zunehmenden Bewirtschaftungsflächen auf dem Land und eventuell im Meer kommen zu können. <025>

(2) Logisch ist auch, dass ein möglichst schnelles Ende des Wachstums der Weltbevölkerung die Chancen erhöht, dass sich möglichst alle Menschen dauerhaft möglichst gut ernähren können. Dabei meint "sich gut ernähren" allerdings nicht das übermäßige Verbrauchsniveau und die ungesunden Ernährungsgewohnheiten der durchschnittlichen US-Bürger. Auch die westeuropäischen Ernährungsgewohnheiten können - unter ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten - natürlich keineswegs als optimal bezeichnet werden. Das nur gut halb so hohe durchschnittliche Verbrauchsniveau Westeuropas wirkt aber insgesamt qualitativ etwas besser und gesünder als das US-amerikanische (niedrigerer Fleischanteil und weniger Zucker). <026>

(3) Eine Einschätzung der weltweit tatsächlich noch realisierbaren Steigerungsmöglichkeiten der Flächenerträge ist nicht einfach im Sinne eines logischen oder unstrittig plausiblen Schlusses möglich. Hier spielt die persönliche Neigung zum technologischen Optimismus oder Pessimismus eine große Rolle - sie färbt die Bewertung der künftig noch denkbaren Fortschritte in der Landwirtschaft, insbesondere in den ärmeren Weltregionen.12 <027>

Dieser dritte Punkt bedarf also einer etwas breiteren Darstellung. Für den Zeithorizont des ersten Drittels dieses Jahrhunderts habe ich die hier möglichen Restriktionen schon bei der obigen Darstellung der dynamischen Tragfähigkeit erwähnt. Die Annahme von nur noch etwa 240 Kilogramm Getreide pro Person und Jahr der Weltbevölkerung in 2030 entspräche einem Rückfall auf das durchschnittliche Unterernährungsniveau zur Zeit kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, um 1950 herum. Allerdings mit der absolut etwa dreieinhalbfachen Bevölkerung (8,9 zu 2,5 Milliarden) und einer entsprechend höheren Bevölkerungsdichte. <028>

Tritt dieser Fall ein, so bedarf es - auf Grund der weiterhin anzunehmenden weltregionalen Ungleichverteilung beim Verbrauch - keiner Prophetie, um sich die bereits erwähnte Möglichkeit von dramatisch eskalierenden Hungersnöten in den allerärmsten Ländern Afrikas oder Asiens vorzustellen. In Anbetracht der dann absolut erheblich erhöhten Bevölkerungszahlen dürfte auch die Zahl der Opfer dieser möglichen Katastrophen erheblich erhöht sein. Die bisher wohl größte Hungerkatastrophe ereignete sich in China um 1960: ausgelöst durch die irregeleitete Politik Mao Zedongs kostete sie bis zu 30 Millionen Menschen das Leben.13 Auch die Anzahl der Opfer künftiger Katastrophen könnte sich durchaus in diesen nahezu unvollstellbaren Größenordnungen bewegen. <029>

Genauso gut sind aber auch - auf der Basisannahme eines langfristig robusten Wachstumspfades der Weltwirtschaft - optimistische Szenarien der Welternährungsentwicklung denkbar, die heutzutage noch nicht auf der Hand liegen: Jenseits eher utopischer Ideen, wie der Realisierung einer quantitativ relevanten vegetarischen Meeresbewirtschaftung, könnte ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung z. B. Teile Osteuropas oder Südamerikas dazu in die Lage versetzen - ähnlich wie die USA heute - enorme Getreideüberschüsse zu produzieren. In einem erweiterten Weltmarkt wäre so möglicherweise der erhöhte Getreidebedarf Asiens und Afrikas zu stillen. <030>

Zu unterstreichen ist hierbei, dass es bei jeder mittelfristigen Prognose zur Entwicklung der Welternährungslage - für die nächsten Jahrzehnte - noch nicht um die Frage der Überschreitung einer absoluten Grenze der ökologischen Tragfähigkeit der Erde geht. Vielmehr bewegen wir uns noch im Bereich der Bandbreiten einer - parallel zur Bevölkerungsentwicklung - unterschiedlich schnell vorstellbaren Steigerung der dynamischen Tragfähigkeit. Diese Steigerungsmöglichkeiten hängen entscheidend von den gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten ab. <031>

Gehen wir einmal von der optimistischen Annahme aus, dass der - seit etwa Mitte der 1990er Jahre - erkennbare weltwirtschaftliche Aufschwungstrend mittelfristig über mehrere Jahrzehnte Bestand hat und auch längerfristig, bis zur Mitte dieses Jahrunderts, keine gravierenden weltwirtschaftlichen Einbrüche erfolgen.14 Ein insgesamt moderat optimistisch gehaltenes Szenario der Weltwirtschaft könnte bedeuten, dass sich in den nächsten fünf Jahrzehnten die pro Person gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten noch einmal im Schnitt um den Faktor 2,6 bis 2,8 erhöhen. Sollte eine solch enorme zusätzliche wirtschaftliche Expansion tatsächlich eintreten, so würden sich dabei auch die Rahmenbedingungen für die ärmsten Weltregionen erheblich verbessert haben: Alle heute noch am - oder unter dem - Existenzminimum lebenden Völker wären dann wahrscheinlich in der Lage, für ihre eigene Lebensgrundlage - in zumindest ausreichendem Maße - selbst zu sorgen. Eine garantierte Existenzsicherung für alle Menschen in allen Weltregionen - die Überwindung der schlimmsten Armut und des Hungers - sind auf diesem Wege, etwa bis zur Mitte des Jahrhunderts, möglicherweise tatsächlich zu realisieren! <032>

Soviel hier zunächst zu den alternativen Szenarien auf der Produktions- oder Angebotsseite der Welternährungslage. Eine eindeutige - subjektiv nicht gefärbte - Präferenz für das eine oder andere Szenario ist, nach meinem Dafürhalten, auf Grund des zur Zeit unzureichenden bzw. widersprüchlichen Forschungsstandes nicht möglich. Kommen wir nun zur Betrachtung des entscheidenden Faktors der Nachfrageseite, zur Bevölkerungsentwicklung. <033>

2. Demographischer Übergang und Bevölkerungsszenarien

Der Prozess des so genannten "demographischen Übergangs" ist seit Jahrzehnten gut erforscht - er beschreibt den quantitativen Niveausprung der absoluten Bevölkerungszahl im Rahmen der Industrialisierung. Vor der Industrialisierung sind sowohl die Geburten- wie auch die Sterberaten sehr hoch, so dass sich die Bevölkerungszahl kaum oder gar nicht erhöht. In der Frühphase der Industrialisierung kommt es zunächst zu einer Abnahme der Sterblichkeit - vor allem kann auf Grund relativ einfacher Hygienemaßnahmen die Kindersterblichkeit erheblich reduziert werden und auf Grund der besseren Nahrungsversorgung die Lebenserwartung zunehmen. In dieser Frühphase bleiben aber die Geburtenraten (statistisch ausgedrückt: die Fertilität oder Fruchtbarkeit pro Frau) weiterhin hoch - es kommt zur so genannten "Bevölkerungsexplosion", die innerhalb der einzelnen Länder zumindest über mehrere Jahrzehnte hinweg ungebremst anhält.15 <034>

Klassischerweise knicken aber erst in einer relativ späten Phase der Industrialisierung dann auch die Geburtenraten ab. Hierzu bedarf es zunächst vor allem einer gesellschaftlich garantierten Existenzsicherung: Die Ernährungslage muss insgesamt ausreichend sein und die Aussicht auch im Alter überleben zu können, muss auf gesellschaftlich abgesicherten Versorgungssystemen basieren, anstatt sich im familiären Rahmen auf ein Maximum an eigenen Kindern zu stützen. Eine gesellschaftlich garantierte Existenzsicherung kann also als notwendige Voraussetzung einer merklichen Abflachung der Bevölkerungsvermehrung in der zweiten Phase des demographischen Übergangs bezeichnet werden. Allerdings sind mit einer gesicherten Existenz allein noch keineswegs auch die hinreichenden Bedingungen im Prozess einer Stabilisierung der Bevölkerungszahl erfüllt! <035>

Die hinreichenden Bedingungen für eine anhaltende Verringerung der Bevölkerungvermehrung - auf zunächst weniger als 2 Prozent pro Jahr und dann auf einen Wert von unter 1 Prozent - können im Vorhandensein einer gut bis sehr gut entwickelten modernen Infra-, Sozial- und Kulturwertestruktur gesehen werden. Etwas konkreter ausgedrückt bedeutet dies in der Hauptsache: ein gutes und flächendeckendes Bildungswesen, das vor allem auch den Mädchen und Frauen offensteht, eine zumindest ausreichende Gesundheitsversorgung und ein solides System der sozialen Sicherung. Kurz gesagt, muss die technische Infrastruktur eines Landes oder einer Region, neben der Existenzsicherung, einen zumindest bescheidenen Volkswohlstand, sowie eine ausreichende Volksbildung, Gesundheitsversorgung und soziale Absicherung bieten, um insgesamt eine Überwindung des traditionellen Strebens nach Kinderreichtum zu erlauben. Erst diese Bedingungen sind in Verbindung mit einem gesellschaftlich garantierten und kulturell anerkannten Selbstbestimmungsrecht der Frauen - und der Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln - hinreichend im Sinne einer tiefgreifenden Veränderung des persönlichen Vermehrungsverhaltens der Menschen. Förderlich - im Sinne der Abnahme der Geburtenhäufigkeit - ist überdies eine möglichst niedrige Ungleichverteilung der Einkommen, also ein möglichst niedriges Maß der gesellschaftlich tolerierten Armut.16  <036>

Ein solcher Prozess der tiefgreifenden Kulturwerte-Veränderung kann nicht von heute auf morgen passieren. In den traditionellen Industrieländern benötigte dieser Prozess - von der Existenzsicherung bis zur merklichen Reduzierung der Bevölkerungsvermehrung - in der Regel eine Zeitspanne von wenigstens 50 Jahren. Aufgrund des dann - im Altersaufbau der Bevölkerungen - gegebenen hohen Anteils junger Menschen bedarf es anschließend nochmals wenigstens einer Generationsspanne bis zur Erreichung einer stabilisierten Bevölkerungszahl. <037>

Historisch konzentrierte sich dieser Prozess, in den traditionellen Industrieländern, auf die Zeit von etwa 1850 bis 1970: Seit der Mitte des 19ten Jahrhunderts konnten die Sterbefälle anhaltend und drastisch verringert werden, aber erst in der Mitte des 20sten Jahrhunderts begannen auch die Geburtenraten merklich zu sinken. Ein annäherndes "Nullwachstum" der Bevölkerung wurde in der industrialisierten Welt erst nach dem "Pillenknick" in den 1960er Jahren erreicht.17 <038>

Entscheidend für jede Bevölkerungsprognose ist also die Frage, welche Annahmen zur Verzögerungszeit, zwischen Sterblichkeits- und Geburtenreduktion, gemacht werden. Diese Verzögerungszeiten können national, je nach den ökonomischen und kulturellen Bedingungen, stark variieren. Weltweite Prognosen des Tempos beim demographischen Übergang sind also mit starken Unsicherheiten belastet: Wie schnell sind welche Fortschritte in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht innerhalb der einzelnen Länder möglich? Seit den frühen 1980er Jahren versuchen die Vereinten Nationen diese Frage für jedes Land der Erde einzeln zu beantworten, um letztlich einen Wert und einen Zeitpunkt der insgesamt wieder stabilisierten Weltbevölkerung berechnen zu können. Dabei legten die meisten dieser UN-Projektionen - die inzwischen alle zwei Jahre aktualisiert werden - den ihnen logischerweise innewohnenden großen Unsicherheitsbereich dadurch offen, dass sie die volle Spanne der errechneten Werte der Weltbevölkerung veröffentlichten: Diese Spanne schwankt für das Ende dieses Jahrhunderts zwischen dem Minimalwert einer bei etwa 8 Milliarden Menschen stabilisierten Bevölkerung und dem Wert einer bei knapp 20 Milliarden weiter wachsenden Population.18  <039>

Innerhalb dieser Spanne betonen die neueren UN-Projektionen von 1998 und 2000 "mittlere Varianten", deren Werte für das Jahr 2050 um die 9 Milliarden Menschen herum liegen. Zentral ist für diesen "mittleren" Pfad die extrem optimistische Annahme einer Verringerung der weltweiten durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau von derzeit 2,9 auf nur noch 2,0 in 2050. Geht man stattdessen von einem Durchschnittswert der Kinderzahl von 2,5 aus, so kommt man zur "hohen Variante" mit fast 11 Milliarden Menschen in der Mitte des 21sten Jahrhunderts. Die "niedrige Variante", die bereits für diesen Zeitpunkt eine - bei einem Wert von unter 8 Milliarden Menschen - wieder leicht schrumpfende Weltbevölkerung berechnet, nimmt an, dass alle Völker innerhalb der nächsten fünf Jahrzehnte ihre Vermehrung auf den heutigen Stand der am stärksten industrialisierten Länder reduziert hätten (durchschnittliche Kinderzahl etwa 1,6). Diese drei Hauptvarianten der UN-Projektionen gehen jeweils von einer Fortsetzung des demographischen Übergangs mit unterschiedlichen Tempi aus - kontrastiert werden diese Pfade noch von einer einfachen Fortschreibung des gegenwärtigen Vermehrungsverhaltens, bei der sich ein Wert von über 13 Milliarden Menschen in 2050 ergeben würde. <040>

Die, jenseits dieser Varianten, durchaus reale Möglichkeit, dass der demographische Übergang partiell - in den ärmsten Weltregionen - auch schlicht scheitern könnte und im Desaster einer "demographischen Falle" endet, wird nicht in Erwägung gezogen. Unzureichende soziale und wirtschaftliche Fortschritte und eine weiterhin unzureichende Hilfe des Nordens für den Süden könnten dazu führen, dass einzelne Regionen - auf Grund der Überschreitung ihrer weltregionalen Tragfähigkeitsgrenzen - auf ein vorindustrielles Niveau der hohen Sterberaten zurückfallen, noch bevor ihre Geburtenraten nachhaltig zurückgegangen sind.19 <041>

In der Regel suggerieren 3-Varianten-Projektionen, dass der jeweils mittlere Pfad als der wahrscheinlichste anzusehen ist. Im Fortgang meiner Ausführungen soll unter anderem gezeigt werden, dass in Bezug auf die Bevölkerungsprojektionen der Vereinten Nationen davon auszugehen ist, dass die mittleren Varianten eher im Sinne einer ehrgeizigen, vielleicht realisierbaren Zielvorgabe, anstatt im Sinne eines wahrscheinlichsten Pfades der tatsächlichen Entwicklung zu verstehen sind. Letztlich können wir nicht erwarten, dass sich der demographische Übergang überall auf der Welt quasi automatisch vollendet und zum Erfolg führt - wir müssen uns diese Vollendung des Übergangs erst noch erarbeiten! <042>

Der mögliche Erfolg ist an notwendige und hinreichende Bedingungen geknüpft, die schon angeschnitten wurden: Bleiben wir bei der optimistischen Annahme, dass selbst die ärmsten Länder der Erde - im Rahmen eines fortgesetzten weltwirtschaftlichen Wachstumspfades - dazu in der Lage sein werden, die notwendige Bedingung für die Vollendung des demographischen Übergangs aus eigenen Kräften zu erfüllen. Diese Annahme impliziert, dass die Unterstützung der bereits laufenden internationalen Hilfsprogramme im Sinne der Erreichung einer globalen Existenzsicherung ausreichen könnte. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte könnten dann auch die ärmsten Länder ihren Völkern gesellschaftlich die Perspektive einer anhaltend gesicherten und ausreichenden Nahrungsversorgung bieten. <043>

Leider sind deswegen aber die genannten hinreichenden Bedingungen zur nachhaltigen Abnahme der Geburtenraten noch keineswegs erfüllt! Nehmen wir - wie bereits oben erwähnt - an, dass gesicherte Existenzbedingungen in den ärmsten Weltregionen in etwa bis 2050 erreichbar sind, dann entspräche dies bestenfalls dem Stand in Europa oder den USA um 1900 herum. Zwischen der einfachen Existenzsicherung und dem Ende des Bevölkerungswachstums klafft dann noch eine Entwicklungslücke zum Auf- und Ausbau der genannten Komponenten einer modernen Infra-, Sozial- und Kulturwertestruktur (v. a. Bildungs- und Gesundheitswesen, soziale Sicherung, weibliche Selbstbestimmung). Es ist unplausibel anzunehmen, dass die ärmsten Länder der Welt, deren Entwicklungstempo bisher am langsamsten war, diesen komplexen und komplizierten Prozess einer fortgesetzten und schließlich vollendeten Modernisierung aus eigener Kraft schneller bewerkstelligen werden als die Europäer und Nordamerikaner, die hierfür nochmals etwa 70 Jahre benötigten. <044>

Betrachten wir zur Veranschaulichung der Größenordnungen dieser Entwicklungslücke einige ökonomische und demographische Eckwerte aus den 1990er Jahren: In den ärmsten Ländern dieser Welt - mit einem jährlichen Durchschnitt des Nationaleinkommens bzw. Brutto-Sozialprodukts (BSP) pro Person von unter 1.100 US-Dollar in 1998 und einer Fruchtbarkeit von wenigstens 4 Kindern pro Frau - lebten zur Jahrtausendwende etwa 921 Millionen Menschen. Im Gesamtdurchschnitt verfügten diese Menschen über ein Nationaleinkommen von rund 300 US-Dollar pro Person und Jahr. Die natürliche Bevölkerungsvermehrung lag in diesen Ländern in den späten 1990ern durchschnittlich bei 2,7 Prozent im Jahr und die Steigerung des Nationaleinkommens betrug - zwischen 1990 und 1998 - ungefähr 3,4 Prozent jährlich. Dieses Segment der Weltbevölkerung in den ärmsten Ländern der Erde bezeichne ich als "Vierte Welt".20 Von den Ländern der "Dritten Welt"21 und der "Zweiten Welt"22 unterscheiden sich die Viert-Welt-Länder nicht nur durch ihre verschärfte Armut, sondern auch dadurch, dass bei Ihnen die Bevölkerungsexplosion gerade erst begonnen hat, während sie sich in den Dritt- und Zweit-Welt-Ländern bereits merklich abgeschwächt hat. <045>

Heutzutage liegt der größte Unsicherheitsfaktor für jedes globale Bevölkerungsszenario in der Frage, welche ökonomischen und demographischen Entwicklungstempi in diesem Segment der ärmsten Länder der Vierten Welt - innerhalb der nächsten Jahrzehnte - festzustellen sein werden. Bleiben wir in Bezug auf die ökonomischen Werte bei einer moderat optimistischen Einschätzung und gehen gleichzeitig bezüglich der demographischen Werte von einer optimistischen und einer verhaltenen Variante aus: Für zwei einfache Szenarien könnten wir dann unterstellen, dass sich das Wirtschaftswachstum der Vierten Welt in den 52 Jahren von 1998 bis 2050 (linear) von 3,4 auf 5,0 Prozent pro Jahr erhöht, während parallel die Bevölkerungsvermehrung rapide von 2,7 auf 1,5 Prozent jährlich sinkt (Variante A) oder in der verhaltenen Variante nur auf 2,0 Prozent vermindert werden kann (Variante B). Aus diesen Annahmen würde sich für die Variante A eine Zunahme der Bevölkerung von 921 Millionen auf knapp 2,7 Milliarden Menschen ergeben - das durchschnittliche Nationaleinkommen bzw. BSP hätte sich pro Einwohner und Jahr immerhin fast um den Faktor 3 erhöht und würde rund 870 US-Dollar (im Geldwert von 1998) betragen. Für die Variante B würden die Werte bei etwa 3,1 Milliarden Menschen und einem BSP von rund 770 US-Dollar pro Einwohner liegen. <046>

Hinter diesen trockenen Zahlen würden sich bereits enorme Fortschritte verbergen: Die angenommene Erhöhung der - pro Person - gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten könnte eben den Unterschied zwischen der heutigen extrem labilen Ernährungslage und einer halbwegs gesicherten Existenz bedeuten. Noch deutlicher wäre der angenommene Fortschritt bei der Verlangsamung der Bevölkerungsvermehrung: Eine Rate von 1,5 bis 2,0 Prozent wird normalerweise - ohne eine jahrzehntelange Tradition extrem aufwändiger Familienplanungsprogramme - erst bei dem erheblich höheren ökonomischen Entwicklungsstand des oberen Segments der Zweiten Welt (2a- und 2b-Gebiete, vgl. Anmerkung 22) erreicht: Auf der Preisbasis von 1998 lagen die jährlichen BSP-Werte dieser Ländergruppen pro Einwohner bei durchschnittlich rund 2.950 US-Dollar.23 <047>

Hier klafft also die oben angesprochene Entwicklungslücke zwischen dem Stand der reinen Existenzsicherung und dem Stand eines modernisierten Vermehrungsverhaltens: Sie lässt sich - ganz grob überschlägig - auf wenigstens 2.000 US-Dollar (in 1998er Preisen) pro Einwohner der Vierten Welt in 2050 beziffern. <048>

Diese ökonomische Entwicklungslücke ergibt sich unter der Annahme, dass die heutigen Viert-Welt-Länder einem stark marktwirtschaftlich dominierten Entwicklungsweg - mit ausgeprägten Politikdefiziten - folgen werden, der in etwa die bisherige Entwicklung des oberen Segments der heutigen Zweiten Welt (2a- und 2b-Gebiete) nachzuvollziehen versucht: Dieses Segment der Weltbevölkerung weist trotz eines durchschnittlichen Nationaleinkommens von 2.950 US-Dollar pro Einwohner und Jahr in 1998 noch eine jährliche Bevölkerungsvermehrung von 1,8 Prozent auf. Folgt die Vierte Welt diesem Entwicklungspfad, so wäre es theoretisch also durchaus denkbar, dass sich bis 2050 zwar das oben angedeutete Wirtschaftsszenario realisieren lässt, gleichzeitig aber eine nur geringfügige Reduzierung der Vermehrungsrate auf vielleicht 2,5 Prozent erfolgt (Variante C). Unter diesen Annahmen landet die projizierte Einwohnerzahl der Vierten Welt in der Mitte des Jahrhunderts bei 3,5 Milliarden Menschen und der BSP-Wert pro Einwohner bei rund 670 US-Dollar (1998er Preisbasis). <049>

Betrachten wir nun kurz die entsprechenden Daten der heutigen Dritten Welt, so wird ersichtlich, dass die ökonomische Entwicklungslücke - mit Hilfe extrem aufwändiger Familienplanungsinstrumente - politisch überbrückbar ist. Das Segment der Dritten Welt umfasst, mit 3 Milliarden Menschen, die Hälfte der heutigen Weltbevölkerung - mehr als zwei Drittel dieser Menschen leben in den beiden Megaländern China und Indien. Beide Länder haben in den letzten 50 Jahren enorme Anstrengungen zur Dämpfung ihres Bevölkerungswachstums unternommen, die phasenweise so extrem waren, dass sie mit starken Menschenrechtsverletzungen einhergingen. Andererseits ist ein deutlich positiver Effekt dieser Politiken nicht zu leugnen: Bei einem Durchschnitt des BSP-Wertes pro Einwohner von nur rund 580 US-Dollar im Jahr hat die Dritte Welt zur Jahrtausendwende ihre Vermehrungsrate bereits auf einen Wert von 1,3 Prozent jährlich reduzieren können. Ein ähnlicher Wert von 1,4 Prozent konnte im wohlhabendsten Segment der Zweiten Welt (2a-Gebiete, vgl. evtl. nochmals Anmerkung 22) erst bei einem BSP-Wert von 3.780 Dollar erreicht werden. - Die Dritte Welt hat es also mithin geschafft, eine ökonomische Entwicklungslücke von rund 3.200 Dollar politisch zu überbrücken. <050>

Die sich hier aufdrängende Schlussfolgerung ist einfach: Durch massive politische Steuerungseingriffe - und entsprechende ökonomische Umverteilungen - kann der Ausbau der sozialen Infrastruktur-Komponenten von ärmeren Ländern auf ein Niveau angehoben werden, das normalerweise erst auf einem erheblich höheren ökonomischen Entwicklungsstand erreicht wird. Hierdurch wird eine vorzeitige Modernisierung des menschlichen Vermehrungsverhaltens und damit die frühzeitige Vollendung des demographischen Übergangs möglich. Erfolgen derartige massive Politikeingriffe nicht, so ist davon auszugehen, dass zwischen dem gesellschaftlichen Entwicklungsstand einer einfachen Existenzsicherung und dem einer nachhaltigen Reduzierung der Bevölkerungsvermehrung eine ökonomische Entwicklungslücke besteht, die sich (auf Basis der 1998er Daten) für die heutige Vierte Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts auf mindestens 2.000 US-Dollar Nationaleinkommen pro Person und Jahr beziffern lässt. <051>

Welchen Weg die Länder der Vierten Welt tatsächlich gehen werden, dürfte entscheidend davon abhängen, welchen politischen Einfluss und welche infrastrukturelle Hilfe die internationale Staatengemeinschaft hier zu leisten bereit sein wird. Die in der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts relativ starken und gefestigten politischen Strukturen Chinas und Indiens dürften wesentlichen Anteil daran haben, dass der Dritten Welt die beachtlichen Fortschritte bei der Familienplanung primär aus eigener Kraft heraus gelungen sind. Ob es der Masse der südlich der Sahara gelegenen afrikanischen Länder - die heute den Kern der Vierten Welt bilden - gelingt, diese Entwicklung innerhalb der ersten Hälfte des 21sten Jahrhunderts ebenfalls primär aus eigener Kraft heraus nachzuvollziehen, muss aufgrund ihrer politisch eher fragmentierten und schwachen Strukturen, sowie ihrer historischen und kulturellen Eigenheiten als recht fraglich eingeschätzt werden.24 <052>

Bleiben wir aber auch hier optimistisch und gehen davon aus, dass es letztlich - durch die Kombination einer Ausweitung der internationalen Hilfeleistungen und eines intern erhöhten politischen Handlungswillens - auch in den meisten Ländern der Vierten Welt möglich sein wird, baldige Fortschritte bei der Dämpfung der Bevölkerungsvermehrung zu erreichen, so erhöhen sich die Chancen der Menschheit, im Laufe dieses Jahrhunderts in einen insgesamt stabilisierten Zustand einzutreten. <053>

Auf der Grundlage der heutzutage verfügbaren - relativ umfassenden - empirischen Datenlage ist es möglich, die bereits dargestellten einfachen Szenarien für die Vierte Welt um analoge Szenarien für die Dritte, Zweite und Erste Welt zu ergänzen. Wir erhalten dadurch ein Einfachmodell, das auf den zentralen demographischen und ökonomischen Kenngrößen von 97 Prozent der heutigen Weltbevölkerung basiert25 und für die genannten vier Ländergruppen zusammenfasst. Es wird dann versucht, die zukünftige Entwicklung der so gewonnenen zusammengefassten Indikatoren - unter den in diesem Text ausgeführten qualitativen Annahmen - abzuschätzen. Ein solches Einfachmodell ist, anhand der in den Anmerkungen dieses Textes gemachten Angaben, leicht zu reproduzieren und zu überprüfen, sodass die qualitativen Annahmen der Projektionen, die in Form der Zielgrößen der demographischen und ökonomischen Wachstumsraten quantifiziert sind, diskutiert und gegebenenfalls verändert werden können. <054>

Auf die Details der ökonomischen Projektionen komme ich im nächsten Abschnitt zu sprechen. Zur Vervollständigung der demographischen Szenarien bedarf es hier nur noch einer Festlegung der anzunehmenden Zielwerte der Wachstumsraten für die Bevölkerungsvermehrung in der Dritten, Zweiten und Ersten Welt. Auf Grund der in diesen Ländergruppen bereits deutlich - über die letzten Jahrzehnte - erkennbaren Reduzierungstendenzen in Bezug auf diese Raten und auf Grund des im Modell integrierten ökonomischen Bezuges, halte ich dabei eine etwas gewagte Fokussierung auf eindeutige Annahmen - anstatt auf verschiedene Varianten - für vertretbar. Natürlich ist aber realiter nicht davon auszugehen, dass die im Folgenden angenommenen Raten punktgenau die zukünftige Wirklichkeit wiedergeben werden. Für die Dritte Welt gehe ich - in diesem Sinne - davon aus, dass sich die Vermehrungsrate von 1,4 auf 0,4 Prozent reduzieren wird, da dieses Segment der Weltbevölkerung bis 2050 ökonomisch in etwa den Stand der heutigen (1b)-Gebiete erreicht haben könnte - dieses untere Segment der Ersten Welt weist gegenwärtig eine Vermehrungsrate von 0,6 Prozent auf. Die heutige Zweite Welt dürfte sich ökonomisch in 50 Jahren auf einem Stand bewegen, der bereits deutlich über dem Niveau der heutigen (1b)-Gebiete liegt - von daher nehme ich eine Reduzierung der Bevölkerungsvermehrung von 1,3 auf 0,3 Prozent an, was dem Wert der heutigen (1a)-Gebiete entspricht. Auch für die Erste Welt gehe ich schließlich von einer Fortschreibung der leichten Abnahmetendenz bei der Bevölkerungsvermehrung aus, sodass die Rate - nach dem heutigen Muster einiger besonders saturierter Erst-Welt-Länder - insgesamt in den Negativbereich gerät und sich von 0,3 auf -0,3 Prozent verändert. <055>

All diese Annahmen und Daten hören sich ungemein trocken und kompliziert an - in Anbetracht der enormen Komplexität der realen Prozesse, die sie beschreiben sollen, stellen sie aber eine sehr grobe Vereinfachung dar, die es mit verfeinerten Modellen zu reduzieren gilt. Die hier entwickelten Szenarien können nur als simple Überschlagsrechnungen angesehen werden, die dazu dienen, die Aussagen bisheriger Modellkonstruktionen anhand einer integrierten Betrachtung der neueren empirischen Daten zu überprüfen. Als summarisches Ergebnis der beschriebenen überschlägigen Szenarien ergeben sich schließlich Projektionswerte der Weltbevölkerung für das Jahr 2050, die zwischen 10,1 und 11,0 Milliarden liegen. Die Spanne dieser Werte resultiert aus den drei Varianten für die besonders schwer einzuschätzende Entwicklung der Vierten Welt. Innerhalb des tatsächlichen Prozesses muss als entscheidende zusätzliche Bedingung - für das Zustandekommen einer solchen Weltbevölkerungszahl - die anhaltende Fortsetzung der insgesamt positiven Entwicklungstrends innerhalb der Dritten Welt betont werden. <056>

Auf den Punkt gebracht, wage ich also die Schätzung eines Wertes von 10,x Milliarden Menschen in 2050 - einen solchen Wert halte ich auf Grund einer integrierten Betrachtung der heute verfügbaren zentralen demographischen und ökonomischen Kennziffern, in Anbetracht der weltregionalen Entwicklungslogiken, für das wahrscheinlichste Ergebnis. Ein solcher Wert bewegt sich zwischen der mittleren und der hohen Variante der aktuellen UN-Projektionen. Er liegt vermutlich noch im Bereich der - durch die Steigerung der ökonomischen Möglichkeiten erweiterbaren - dynamischen Tragfähigkeit der Erde. <057>

Wesentlich wichtiger als die Frage nach dem x hinter dem Komma der Milliardenangabe, wird aber die Frage nach der tatsächlich zu diesem Zeitpunkt erreichten durchschnittlichen Vermehrungsrate der Menschheit sein: Die Spanne dieser Rate liegt bei meinen Szenarien im weltweiten Durchschnitt zwischen 0,6 (Variante A) und 1,0 Prozent (Variante C) pro Jahr in 2050. <058>

Dabei würde eine niedrige Rate von maximal 0,6 Prozent - bzw. ein niedriger Absolutwert von rund 10 Milliarden - signalisieren, dass sich die Menschheit tatsächlich auf dem Weg zum demographischen Gleichgewicht befindet und dieses bis zum Ende des Jahrhunderts realisiert werden kann. Eine auch in 2050 noch merklich über 0,6 Prozent liegende Vermehrungsrate - bzw. ein Absolutwert von um die 11 Milliarden - würde dagegen bedeuten, dass sich, rein rechnerisch, der physische Wachstumsprozess der Weltbevölkerung noch bis weit ins 22ste Jahrhundert verlängert. Ein solcher Entwicklungspfad muss als äußerst kritisch eingeschätzt werden. Im Kontext der - im ersten Abschnitt dieser Arbeit - beschriebenen ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen würde ein solcher demographischer Wachstumspfad, der dicht an der obersten Grenze der Gesamtspanne aller Bevölkerungsprojektionen liegt, die Überschreitung absoluter Tragfähigkeitsgrenzen und einen brutalen Rückfall in eine "demographische Falle" innerhalb der ärmsten Weltregionen sehr wahrscheinlich werden lassen. Ein nur schwach gebremstes Bevölkerungswachstum innerhalb der Vierten Welt könnte - zumindest im weltregionalen Maßstab - das dramatische Eintreten in einen "Überschuss-Modus" des regionalen Kollapses bewirken, der stark an die Simulationen der Forrester/Meadows-Modelle erinnert. Gewiss wären die Ursachen und Wirkungszusammenhänge erheblich komplexer, als es die ersten Computersimulationen der Weltdynamik vor 30 Jahren abbilden konnten - das tatsächliche Ergebnis wäre aber kaum weniger entsetzlich. <059>

Offenbar besteht hier ein dringlicher Forschungsbedarf zu einer möglichst detaillierten und integrierten quantitativen Überprüfung unserer globalen Entwicklungsperspektiven und ein nicht minder dringlicher Handlungsbedarf zur Intensivierung der Bemühungen für eine umfassende globale Stabilisierung. <060>

Zusammenfassend sind hier nochmals kurz die Unterschiede meiner einfachen Szenarien zu den Standardprojektionen der Vereinten Nationen zu betonen: Ohne massive zusätzliche politische Steuerungseingriffe und entsprechende internationale ökonomische Umverteilungen, zur Verbesserung der sozialen und technischen Infrastrukturen innerhalb der Vierten Welt, halte ich - auf Grund einer integrierten Betrachtung der zentralen ökonomischen und demographischen Kennziffern - eher die Realisierung der hohen als der mittleren Variante der UN-Projektionen für wahrscheinlich. Dagegen impliziert der von mir prognostizierte Wert der Variante A von rund 10 Milliarden Menschen in 2050 - als wesentliche Realisierungsbedingung - bereits eine erhebliche Ausweitung der internationalen Transferleistungen von Nord nach Süd und eine Erhöhung des politischen Willens und der Kompetenz zur Dämpfung des Bevölkerungswachstums innerhalb der Vierten Welt. <061>

Im folgenden Abschnitt möchte ich unter anderem überschlägig berechnen, welche maximale Belastung sich für die Ökonomien des reichen Nordens ergeben würde, wenn wir annehmen, dass die ökonomische Entwicklungslücke der Vierten Welt vollständig mit Hilfe erheblich erhöhter Transferleistungen aus der Ersten Welt geschlossen werden muss. <062>

Den Prozess einer weltweiten Vollendung der Modernisierung und des demographischen Übergangs offensiv zu organisieren, anstatt die Entwicklung sich selbst zu überlassen, liegt im ureigensten Interesse des reichen Nordens, denn nur so wirkt die Sicherung der globalen Systemstabilität in wirklich langfristigen Zeithorizonten realistisch. Je niedriger der Wert einer endlich stabilisierten Weltbevölkerung ausfällt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschheit auch unter sich - früher oder später - verschärfenden klimatischen Bedingungen ohne gar zu große Einbrüche überleben kann. Die Klimaproblematik wurde von mir hier noch nicht angesprochen, weil meines Erachtens nach die bisher behandelten sozialen und ökologischen Zusammenhänge einfach dringlicher sind. Der derzeit feststellbare Erwärmungstrend des Treibhaus-Effekts interagiert im Sinne einer sich selbst verstärkenden (positiven) Rückkopplung mit den übrigen ökologischen, sowie den sozialen und wirtschaftlichen Aspekten der Weltdynamik: Insgesamt dürfte dies zu einem verringerten Wert der stabilen Tragfähigkeit der Erde führen und damit die Dringlichkeit der gesamten Thematik unterstreichen.26 <063>

Für eine quantitative Abschätzung der stabilen Tragfähigkeit steht uns dabei derzeit nicht viel mehr als die bereits bekannte Spanne zwischen der - prinzipiell noch erweiterbaren - dynamischen Tragfähigkeit von etwa 8 Milliarden Menschen und der Schätzung einer maximalen Tragfähigkeit von über 20 Milliarden zur Verfügung. Eine halbwegs exakte und begründete Quantifizierung der stabilen Tragfähigkeit ist heutzutage noch nicht überzeugend möglich.27 <064>

3. Wirtschaftsszenario und weltsoziale Stabilitätshilfe

Gehen wir, wie bereits mehrfach erwähnt, insgesamt von einem moderat optimistischen Szenario für die Weltwirtschaft bis 2050 aus:  eine Reihe von Anhaltspunkten, die im Weiteren ausgeführt werden sollen, sprechen dafür, dass dies realistisch ist. Dabei bietet es sich in diesem Zusammenhang an, zunächst noch einmal auf den Ausgangspunkt dieses Essays, auf die Forrester/Meadows-Modelle und ihre Kritik zurückzukommen. Erinnern wir uns an die eingangs kurz angeschnittene zentrale Schlussfolgerung der Modelle der "Grenzen des Wachstums": nur durch drastisch gegensteuernde Politikeingriffe sei ein globaler Kollaps zu verhindern. Mittels einer politisch durchgesetzten Begrenzung des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums sollte eine Strangulierung der Industrieproduktion - zu der es durch den Verbrauch nicht-erneuerbarer Rohstoffe käme - aufgehalten werden.28 <065>

William D. Nordhaus verfeinerte seine bereits 1973 gelieferte Kritik an den ökonomischen Aspekten dieser Thesen zu Beginn der 1990er Jahre. Nordhaus entwickelte dabei eine empirisch gestützte Schätzung des bis 2050 in den traditionellen Industrieländern möglichen Wirtschaftswachstums. Die Parameter dieser Schätzung stützen sich hauptsächlich auf ungewöhnlich lange - zum Teil über 100 Jahre zurückreichende - Zeitreihen der US-Ökonomie. Ferner werden alle bislang quantifizierbaren negativen Nebenwirkungen der Industrialisierung berücksichtigt. Nordhaus fasst diese Faktoren unter dem Begriff einer rohstoff- und umweltbedingten "Wachstumshemmung" zusammen und beziffert ihren Einfluss mit einer Ruduktion des Wirtschaftswachstums um insgesamt gut 0,3 Prozent pro Jahr für die entwickelten Ökonomien des reichen Nordens bis zur Mitte dieses Jahrhunderts.29 Dabei geht er von einer unbereinigten durchschnittlichen Wachstumsrate für diese Ländergruppe von 2,6 Prozent aus - durch die Wachstumshemmung werde diese Rate letztlich auf einen bereinigten Wert von ca. 2,3 Prozent (oder auf 88 Prozent ihres Ausgangswertes) reduziert. <066>

Die Grundargumentation von Nordhaus - als Kritik an den Modellen der "Grenzen des Wachstums" - ist plausibel: Die Raten der Produktivitätsfortschritte in den hochentwickelten Ökonomien lagen historisch zwischen 1 und 2 Prozent pro Jahr - die in diesen Raten zum Ausdruck kommende ökonomische Realisierung des technologischen Fortschritts reichte also bislang bequem zur Kompensation der von Nordhaus mit 0,3 Prozent pro Jahr bezifferten rohstoff- und umweltbedingten Wachstumshemmung aus.30 Nordhaus argumentiert überzeugend, wenn er sagt: Es ist kein Grund für eine plötzliche Abnahme des menschlichen Erfindungsreichtums erkennbar. Solange die freiheitlichen Strukturen der hochindustrialisierten Länder diesen Erfindungsreichtum sich technologisch manifestieren und ökonomisch realisieren lassen, bleiben die in den Forrester/Meadows-Modellen versteckten "letalen Bedingungen" eines mangelhaften Fortschrittstempos, das in einen ultimativen Niedergang mündet, unerfüllt und es besteht, vom Blickwinkel der reichen Ökonomien der Ersten Welt aus gesehen, kein übermäßiger Grund zur Sorge! <067>

Der entscheidende Nachteil des Nordhaus-Szenarios liegt aber in eben dieser Beschränkung der Analyse auf die bereits hochindustrialisierte Erste Welt - in der prognostischen Anwendung vermischt Nordhaus dann offenbar die ökonomischen Parameter der hochindustrialisierten Länder mit demographischen Größen, die sich eher auf die gesamte Welt beziehen: Er geht in seinem Szenario von einem durchschnittlichen Bevölkerungswachstums von 1 Prozent aus31 - ein solcher Wert wirkt in Bezug auf die Erste Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts entschieden zu hoch; er entspricht vielmehr dem Weltdurchschnitt des Bevölkerungswachstums der kommenden fünf Jahrzehnte innerhalb der Variante A meiner Szenarien, die ich im vorigen Abschnitt dargelegt habe. <068>

Versuchen wir nun zu konsistenten ökonomisch-demographischen Szenarien der globalen Entwicklung zu gelangen, indem wir die ökonomische Nordhaus-Schätzung mit den demographischen Zielwerten des von mir dargelegten Vier-Welten-Modells verknüpfen. Als zentrale quantitative Orientierung - im Sinne eines Rahmens für die Schätzung der ökonomischen Szenarienwerte der einzelnen Weltregionen - bietet sich hierbei ein Bezug auf den weltweiten Durchschnitt des realen Wirtschaftswachstums der letzten drei Jahrzehnte an - im Gesamtdurchschnitt lag dieser Wert bei rund 3,6 Prozent pro Jahr.32 In Ermangelung ausreichend detaillierter und langer ökonomischer Zeitreihen für die Zweite, Dritte und Vierte Welt liegt es nahe, die Proportion der von Nordhaus für die Erste Welt geschätzten Wachstumshemmung auf den weltweiten Durchschnitt zu übertragen: Die Verknüpfung einer Verlängerung der seit 1970 messbaren weltweiten wirtschaftlichen Wachstumsraten bis 2050 mit der Proportion der Wachstumshemmung von Nordhaus führt uns zu einem Schätzwert von jährlich knapp 3,2 Prozent (0,036 * 0,88) als zentrale quantitative Orientierung - im Sinne eines moderat optimistischen Szenarios der Weltwirtschaft für die erste Hälfte dieses Jahrhunderts. <069>

Solch ein weltweiter Durchschnittswert von knapp 3,2 Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums ist auf Grund unterschiedlicher weltregionaler Szenarien denkbar. In meinen integrierten ökonomisch-demographischen Vier-Welten-Szenarien habe ich hierzu die folgenden Annahmen unterstellt: In Bezug auf die Erste Welt liegt es nahe, den bereinigten Schätzwert von Nordhaus zu übernehmen und vereinfachend von einem konstanten durchschnittlichen Jahreswachstum von 2,3 Prozent auszugehen. In den Jahren 1990 bis 1998 lag der empirische Wert für diese Ländergruppe pro Jahr bei 2,1 Prozent.33 <070>

Ein Schätzwert für die Zweite Welt muss die besondere Situation in den ehemaligen Ostblockländern (2c-Gebiete meiner Klassifikation) berücksichtigen. Hier kam es, nach dem Zusammenbruch der alten Systeme zu Beginn der 1990er Jahre, zu scharfen ökonomischen Einbrüchen: insgesamt führte dies zu einem negativen Gesamtdurchschnitt dieser Länder für das letzte Jahrzehnt.34 Es ist also ratsam, den Schätzwert für die Zweite Welt lediglich an den empirischen Daten der (2a)- und (2b)-Gebiete zu orientieren, die in den Jahren 1990 bis 1998 durchschnittlich bei knapp 4 Prozent (2a) bzw. gut 3 Prozent (2b) lagen. Vor allem auf Grund des Nachholbedarfs der ehemaligen Ostblockländer halte ich für die Zweite Welt insgesamt einen Schätzwert des jährlichen Wirtschaftswachstums von wenigstens 4 Prozent für realistisch - entsprechend wird in dem Szenario ein konstant gesetzter Wert von 4,0 Prozent verwendet. <071>

In Bezug auf die Dritte Welt gehe ich von einer langsamen Anpassung der derzeit sehr hohen Wachstumsraten an den Schätzwert der Zweiten Welt aus: In meinem Szenario reduzieren sich die jährlichen Wachstumsraten für die Dritte Welt deshalb (linear) von dem emprischen Durchschnittswert der Jahre 1990 bis 1998, der bei 7,8 Prozent lag und für das Basisjahr der Projektion 1998 eingesetzt wurde, auf den in 2050 unterstellten Zielwert von 4,0 Prozent. <072>

Für die Vierte Welt habe ich schließlich - umgekehrt, im Sinne eines beginnenden industriellen Take-off - eine langsame Beschleunigung des Wachstums unterstellt: Die Schätzwerte bewegen sich hier (ebenfalls linear) vom empirisch gestützten Ausgangswert, der für 1998 von 3,4 Prozent ausgeht, auf den unterstellten Zielwert von 5,0 Prozent in 2050 zu. Aus all diesen Annahmen ergibt sich in meinen Szenarien letztlich ein Durchschnitt des weltweiten und bereinigten Wirtschaftswachstums von knapp 3,1 Prozent pro Jahr bis 2050 - dieser Wert liegt also knapp unterhalb des oben (in Abs. 069) angepeilten Orientierungswertes und bleibt damit innerhalb des übergeordneten Rahmens der qualitativen Annahmen. <073>

Betrachten wir zur Veranschaulichung der wirtschaftlichen Größenordnungen dieses integrierten Szenarios einige Relationen der absoluten Nationaleinkommen bzw. des BSP pro Einwohner in den verschiedenen Weltregionen. Im Basisjahr der Projektion 1998 entfielen auf jeden Einwohner der Ersten Welt statistisch rund 22.510 US-Dollar Nationaleinkommen. Unter den dargestellten Annahmen würde sich dieser Wert bis 2050 um den Faktor 3,3 erhöhen und bei rund 73.650 US-Dollar pro Jahr (in 1998er Preisen) landen. Konkret würde damit das Wohlstandsniveau der Ersten Welt in 50 Jahren im Schnitt etwa doppelt so hoch sein wie in den drei heutzutage reichsten Ländern der Erde: Luxemburg, Schweiz und Norwegen. <074>

In der Zweiten Welt lag der entsprechende Wert des BSP pro Einwohner in 1998 bei rund 2.800 US-Dollar - die Relation zur Ersten Welt betrug also 1:8. Für 2050 kommt die Projektion auf einen Wert von rund 14.280 US-Dollar (1998er Preise) - der Erhöhungsfaktor beliefe sich folglich auf 5,1 und der Abstand zur Ersten Welt hätte sich auf die Relation von etwa 1:5 verringert. Konkret würde sich das Wohlstandsniveau der Zweiten Welt damit in der Jahrhundertmitte im Schnitt auf dem heutigen Level von Spanien oder Neuseeland bewegen. <075>

Selbst die Dritte Welt dürfte, unter den genannten Annahmen, in 50 Jahren ein recht ansehnliches Wohlstandsniveau erreicht haben: Das durchschnittliche Nationaleinkommen könnte sich von rund 580 US-Dollar - um den Faktor 12,2 - auf 7.050 Dollar (1998er Preise) erhöhen. Der Abstand zur Ersten Welt hätte sich rapide, von 1:39 in 1998, auf 1:10 verringert. Konkret entspräche dieses Level fast dem heutigen Stand der Schwellenländer Argentinien oder Südkorea. <076>

Während sich also nach diesen Szenarien die wirtschaftliche Situation in der Ersten, Zweiten und Dritten Welt erheblich verbessern würde - und sich sogar der relative Abstand zwischen dem Luxusniveau der traditionellen Industrieländer und dem Niveau der dann "neureichen" Gebiete merklich verringern könnte - dürften die Fortschritte in der Vierten Welt weiterhin sehr bescheiden bleiben. Die Absolutwerte der Nationaleinkommen pro Einwohner - innerhalb der Viert-Welt-Szenarien A, B und C - wurden bereits im vorigen Abschnitt erwähnt, nicht aber die Relationen dieser Werte zur Ersten Welt. In 1998 betrug der durchschnittliche Abstand der wirtschaftlichen Niveaus der Vierten zur Ersten Welt pro Person rund 300 US-Dollar zu 22.510 US-Dollar, also 1:75. Unter den Annahmen des Szenarios A hätten die ca. 2,7 Milliarden Menschen der Vierten Welt in 50 Jahren zwar auch ein fast dreimal so hohes Einkommen wie heute (870 US-Dollar in 1998er Preisen) - die Relation zur Ersten Welt hätte sich aber sogar weiter leicht verschlechtert, auf 1:84. Die Werte der Szenarien B und C sind noch ungünstiger: Das BSP pro Einwohner läge bei 770 bzw. 670 US-Dollar, die Bevölkerungszahl bei 3,1 bzw. 3,5 Milliarden und die Relation zur Ersten Welt bei 1:96 bzw. 1:109. <077>

Konkret hätte die Vierte Welt zur Jahrhundertmitte wirtschaftlich zwar ungefähr im Schnitt den heutigen Stand in China erreicht - die demographischen Eckdaten könnten aber erheblich ungünstiger ausfallen als sie es derzeit in der Dritten Welt sind. Überlassen wir die Vierte Welt weiterhin weitgehend sich selbst, so dürften die betroffenen Länder - auf einem primär marktwirtschaftlich ausgerichteten Entwicklungspfad, der in frühen Industrialisierungsphasen mit starken Politikdefiziten einhergeht - aus eigener Kraft heraus kaum dazu in der Lage sein, in absehbarer Zeit eine nachhaltige Senkung der Raten ihres Bevölkerungswachstums zu erreichen (vgl. die Argumentation oben: Abs. 042ff). Um auch in der Bevölkerungspolitik bzw. Familienplanung merkliche Fortschritte innerhalb der Vierten Welt zu bewirken - so wie sie in meinem Szenario A dargestellt sind - bedarf es einer drastischen Verstärkung der politischen Bemühungen zur Dämpfung des Bevölkerungswachstums. Damit einhergehen müsste eine vehemente Erhöhung der internationalen Hilfsleistungen zur Unterstützung dieses Ziels! <078>

Im vorhergehenden Abschnitt habe ich ausgeführt, dass die wirtschaftlichen Fortschritte innerhalb der Vierten Welt in den nächsten Jahrzehnten dazu führen könnten, dass diese Länder ihren Völkern zumindest eine gesicherte Nahrungsversorgung zu bieten haben. Die Entwicklung einer modernen Infra- und Kulturwertestruktur - vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen, sowie in der gesellschaftlich gesicherten Altersversorgung und sozialen Absicherung - ist in den allerärmsten Ländern der Erde dagegen noch nicht absehbar. Eine solche Infrastruktur muss aber als die hinreichende Voraussetzung einer merklichen und anhaltenden Abflachung der Geburtenraten angesehen werden. Zwischen dem Stand einer einfachen Existenzsicherung und dem Stand einer halbwegs entwickelten modernen Infrastruktur ist eine ökonomische Entwicklungslücke für die Vierte Welt zu erkennen, die sich mit grob 2.000 US-Dollar pro Einwohner der Vierten Welt in 2050 beziffern lässt (1998er Preisbasis, vgl. oben: Abs. 045ff). <079>

Das Ziel einer verstärkten Nord-Süd-Hilfe soll also darin bestehen, vor allem die sozialen Infrastrukturkomponenten der allerärmsten Länder dieser Welt möglichst schnell auf ein Niveau anzuheben, das eine frühzeitige Modernisierung des menschlichen Vermehrungsverhaltens auch in diesen Weltregionen erlaubt. Eine derartige Forcierung der sozialen Modernisierung liegt im Eigeninteresse des reichen Nordens, insofern sie als logische Voraussetzung der Erhaltung einer globalen Systemstabilität anzusehen ist. Eine nur leicht gebremste Fortsetzung des Bevölkerungswachstums innerhalb der Vierten Welt macht - spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts - extrem brutale weltregionale Einbrüche oder gar einen Kollaps, auf Grund der Überschreitung ökologischer Tragfähigkeitsgrenzen, wahrscheinlich. Die politischen Auswirkungen solcher Horrorszenarien dürften globale Erschütterungen mit sich bringen, deren konkrete Formen heutzutage allerdings noch nicht absehbar sind. Eine gravierende Erhöhung des Nord-Süd-Transfers - in einem ökonomisch vertretbaren Ausmaß, das hinreichend zur tatsächlichen Problemlösung ist - kann als notwendige Sozialkomponente der Globalisierung, im Sinne einer weltsozialen Stabilitätshilfe, angesehen werden. Eine solche Stabilitätshilfe muss dauerhaft verlässlich sein und deshalb das Almosenprinzip der heutigen "Entwicklungshilfe" hinter sich lassen. Stattdessen ist die Bildung einer Art "Weltsozialfonds" nötig: Ein solcher Fonds bedarf der zwischenstaatlich vertraglich fest abgesicherten Finanzierung und dürfte am ehesten unter dem Dach der Vereinten Nationen anzusiedeln sein, deren Autorität eine sachgerechte Verwendung der Mittel garantieren kann. <080>

Ich hatte angekündigt, die Überschlagsrechnung zu der oben erwähnten Entwicklungslücke fortsetzen zu wollen und der Frage nachzugehen, welche maximale Belastung sich für die reichen Ökonomien des Nordens ergeben würde, wenn man annimmt, dass diese ökonomische oder besser gesagt infrastrukturelle Entwicklungslücke der Vierten Welt vollständig mit Hilfe eines erweiterten Nord-Süd-Transfers aus der Ersten Welt geschlossen werden soll. <081>

Vervollständigen wir also jetzt diese Überschlagsrechnung: Inzwischen wurden fast alle Szenarienwerte dargestellt, die wir hierfür benötigen. Dabei darf man sich den monetären Ausdruck dieser Entwicklungslücke, in Form der genannten 2.000 US-Dollar, nicht einfach 1:1 in die für nötig gehaltenen Transferzahlungen übersetzen. Es müssen bei dieser Übersetzung noch mehrere Multiplikatoren bzw. Divisoren berücksichtigt werden, die den Betrag merklich reduzieren. <082>

Die Bezifferung der Entwicklungslücke hatte ich anhand eines groben ökonomisch-demographischen Rankings der wichtigsten Segmente des heutigen politisch-ökonomischen Globalsystems vorgenommen. Dabei quantifizieren die 2.000 US-Dollar - innerhalb meines Szenarios A - den Abstand zwischen dem projizierten ökonomischen Entwicklungsstand der Vierten Welt in 2050 und den zentralen ökonomischen und demographischen Kennziffern der heutigen (2a)- und (2b)-Gebiete meiner Klassifikation. Konkreter heißt dies: Die Viert-Welt-Länder müssten in 50 Jahren trotz ihres Pro-Person-Einkommens von nur rund 870 US-Dollar (in 1998er Preisen) eine soziale Infrastruktur besitzen, die heutzutage in Ländern mit einem Pro-Person-Einkommen von fast 3.000 US-Dollar anzutreffen ist, damit die Viert-Welt-Länder die relativ niedrigen heutigen Vermehrungsraten der entsprechenden Zweit-Welt-Länder erreichen. <083>

Zur Finanzierung der sozialen und technischen Infrastruktur werden in den entwickelten Ökonomien heutzutage Quoten von 35 bis 55 Prozent des Nationaleinkommens verwendet.35 Dies führt uns zu einem ersten Divisor, wenn wir annehmen, dass zur Überbrückung der Entwicklungslücke ein Infrastrukturdefizit in Höhe von wenigstens 35 Prozent der 2.000 US-Dollar gefüllt werden soll. Ein zweiter Divisor ergibt sich durch die Kaufkraft-Relationen von Erster und Vierter Welt. In industriell weniger entwickelten Ländern besitzen die Währungen der großen Industrieländer im Schnitt eine höhere Kaufkraft als in ihren Ursprungsländern. Diese Kaufkraft-Relationen lassen sich durch die so genannten "Kaufkraft-Paritäten" auf Dollarbasis berechnen. Die durchschnittliche Relation der Kaufkraft zwischen Erster und Vierter Welt beläuft sich gegenwärtig etwa auf 1:4,3 bzw. 0,23 - sprich: ein realer US-Dollar besitzt in Viert-Welt-Ländern im Schnitt etwa eine 4,3fach so hohe Kaufkraft wie in den Ländern der Ersten Welt.36 Ein letzter Multiplikator ergibt sich durch die projizierte Bevölkerungsrelation zwischen Vierter und Erster Welt, innerhalb meines Szenarios A: Diese liegt bei 2,7 zu 1,04 Milliarden, also etwa bei 2,6. Insgesamt führen damit diese drei Faktoren überschlägig zu einer Übersetzung der bezifferten Entwicklungslücke in einen - pro Einwohner der Ersten Welt in 2050 - für nötig gehaltenen Transfer zur Vierten Welt in Höhe von etwa 420 US-Dollar im Jahr, auf der Preisbasis von 1998 (2.000 US-Dollar * 0,35 * 0,23 *2,6). In der Gesamtsumme würde dies einen Wert von 440 Milliarden US-Dollar ergeben (420 US-Dollar * 1,04 Milliarden Einwohner der Ersten Welt). <084>

Gewiss sind derartige Überschlagsrechnungen entsetzlich schematisch, trocken, unbefriedigend und extrem vergröbernd - aber um mit William D. Nordhaus zu sprechen: "Es ist kaum von Interesse, zu sagen: wir wissen es nicht." In diesem Sinne schätze ich, dass auf der bekannten Preisbasis des Jahres 1998 bis zur Mitte des 21sten Jahrhunderts eine Transfersumme von jährlich knapp 440 Milliarden US-Dollar nötig sein wird, um die soziale Infrastruktur und das hiervon abhängige Vermehrungsverhalten innerhalb der Vierten Welt der allerärmsten Länder der Erde nachhaltig zu modernisieren, damit letztlich die Menschheit insgesamt in die Lage versetzt wird - im Laufe der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts - einen stabilen Wert der Weltbevölkerung zu erreichen. <085>

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich zur Höhe der Ausgaben für bereits heutzutage laufende Hilfsprogramme: Betrachten wir die Summe der Gelder, die für alle "Entwicklungsländer" der Dritten und Vierten Welt und die so genannten "Transformationsländer" des ehemaligen Ostblocks - von allen Staatshaushalten der Geberländer und multilateralen Institutionen zusammen - aufgebracht werden, so ergibt dies einen Betrag von 57,4 Milliarden US-Dollar in 1998. Unterstellen wir vereinfachend, diese Gesamtsumme sei komplett von den Ländern der Ersten Welt bereitgestellt worden, so ergäbe dies einen Anteil von 0,24 Prozent an der Summe der Nationaleinkommen dieser Weltregion in Höhe von 23.450 Milliarden US-Dollar in 1998. Diese Gesamtsumme der offiziellen "Entwicklungshilfe" unterlag in den 1990er Jahren erheblichen Schwankungen: Auf der Preisbasis von 1998 sackte der Wert, nach einem Hoch in 1991 mit 72,1 Milliarden US-Dollar, auf einen Tiefststand von 53,1 Milliarden in 1997. Seitdem steigt der Mitteltransfer wieder und erreichte in 1999 eine Summe von 58,9 Milliarden US-Dollar.37 <086>

Aus dem Blickwinkel der Vierten Welt stellt sich der Mitteltransfer gegenwärtig wie folgt dar: Die Gesamtsumme der erhaltenen Hilfe belief sich in 1990 noch auf 23,4 Milliarden US-Dollar (1998er Preisbasis); in 1999 erreichten die Transferleistungen dagegen nur noch einen Betrag von 16,5 Milliarden. Pro Einwohner beliefen sich die Hilfsleistungen in 1999 also noch auf rund 18 US-Dollar. Damit das von mir entwickelte - gedämpft optimistische - Vier-Welten-Szenario A in sich konsistent wirkt, bedarf es voraussichtlich einer stetigen und überproportionalen Erhöhung dieses Mitteltransfers auf einen inflationsbereinigten Wert von gut 160 US-Dollar pro Einwohner der Vierten Welt in 2050 (1998er Preise: 2.000 US-Dollar * 0,35 * 0,23). Der heutige Wert müsste also etwa verneunfacht werden, was gewiss ein ehrgeiziges Ziel ist, das enormer politischer Anstrengungen bedarf, um verwirklicht zu werden. Nehmen wir wieder vereinfachend an, dass dieser erhöhte Mitteltransfer vollständig aus den Ökonomien der Ersten Welt gespeist würde, so ergäbe dies - unter Verrechnung des bereits heute bestehenden Transfers - eine relative Belastung, die sich auf gut 0,63 Prozent belaufen würde, insofern die absolute Höhe des Nationaleinkommens der gesamten Ersten Welt, in 1998er Preisen, den projizierten Wert von rund 76,5 Billionen US-Dollar in 2050 erreicht ([58,9 Mrd. US-$ - 16,5 Mrd. US-$ + 440 Mrd. US-$] / 76.500 Mrd. US-$). Dies ist ein wirklich verblüffendes Ergebnis, insofern dieser Wert fast exakt dem - seit Jahrzehnten verfehlten - Selbstverpflichtungsziel der Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 Prozent des Sozialprodukts entspricht. <087>

4. Schlussfolgerungen

Die Modelle der "Grenzen des Wachstums" stellten zu Beginn der 1970er Jahre eine enorm produktive wissenschaftliche Provokation dar. Der Traum von der Ewigkeit und Unendlichkeit des Materiellen wurde mit der einfachen Tatsache der Begrenztheit der physischen Wachstumsmöglichkeiten auf der Erde konfrontiert. Innerhalb eines lebendigen ökologischen Verständnisses der stofflichen Wachstumsprozesse ist es logisch und selbstverständlich, dass sich keine Spezies in einem räumlich begrenzten Biotop unbegrenzt vermehren kann. Die gilt natürlich auch für die menschliche Population auf der Erde. Wo allerdings genau diese Grenzen des physischen Wachstums der Menschheit auf diesem Planeten liegen, welche zukünftigen Expansionsmöglichkeiten eines immer stärker dematerialisierten ökonomischen Wachstums es gibt, ob eine Ausdehnung des irdischen Lebens in den Weltraum gelingen wird und welcher Weg uns gleichzeitig zu der trotzdem notwendigen Wiederherstellung dynamischer ökologischer Gleichgewichte auf der Erde führen wird - all diese substanziellen Zukunftsfragen sind auch heutzutage, 30 Jahre nach den ersten computerbasierten Abbildungen einer quantitativ integrierten Weltdynamik, weiterhin offen. <088>

Die ursprünglich von den Konstrukteuren der Modelle der "Grenzen des Wachstums" präferierten "Gleichgewichtsläufe" basierten politisch auf hochgradig illusionären Annahmen, die nicht verwirklichbar waren. Die stattdessen angedrohten Kollapslinien eines "Überschuss-Modus" entsprechen aber - glücklicherweise - auch nicht der weltweit erwartbaren Standardvariante unserer Zukunft: Auf Grund der Verwendung empirisch nicht haltbarer Parameter und Annahmen in ökonomisch zentralen Modellkonstrukten und auf Grund des Fehlens der Abbildung einer weltregionalen Differenzierung der globalen Dynamik bieten die Modelle insgesamt keinerlei zuverlässige quantitative Orientierung für die logisch evidenten Grenzen des Wachstums der Erdbevölkerung. <089>

Eine empirisch überzeugend gestützte Berechnung der ökologischen Tragfähigkeit der Erde, in Bezug auf die menschliche Population, ist eine wissenschaftlich höchst komplizierte und bislang unerledigte Aufgabe. Auf Grund herausragender Studien der letzten Jahrzehnte können derzeit nur ganz grobe Eckwerte der Schätzung verschiedener Tragfähigkeitsgrenzen - mit Hilfe einer neuen Begriffsdifferenzierung - zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei bezeichnet der Begriff einer dynamischen Tragfähigkeit die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich ausreichend ernährbare Anzahl von Menschen. Dieser Wert wird einerseits durch den gegenwärtig feststellbaren ökologischen Substanzverlust - vor allem auf Grund übermäßiger Rodungen und nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsmethoden - negativ beeinflusst. Andererseits wird der Wert der dynamischen Tragfähigkeit positiv beeinflusst durch die noch ungenutzten Möglichkeiten zur Steigerung der Flächenerträge, durch die Möglichkeiten zur Rückgewinnung brachliegender Bewirtschaftsflächen und durch die Möglichkeiten der Erschließung zusätzlicher Flächen zur Nahrungserzeugung - diese Möglichkeiten sind erweiterbar in Abhängigkeit von der Steigerung der wirtschaftlichen Potenziale und der Nutzung der Chancen nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden auf dem Land und in den Gewässern. <090>

Für die Zeitspanne der nächsten drei Jahrzehnte kommt eine 1994 erstellte Studie der Ökologen Lester R. Brown und Hal Kane zu dem Ergebnis, dass vor allem auf Grund der erkennbaren ökologischen Restriktionen die Steigerung der dynamischen Tragfähigkeit nicht mit einem Bevölkerungsszenario mithalten kann, das für 2030 von einem Wert von knapp 9 Milliarden Menschen ausgeht. Falls es nicht gelingt, die Abnahme des Bevölkerungswachstums erheblich zu beschleunigen, so wäre demnach ein Rückfall der pro Person erzeugbaren Nahrungsmenge auf den Weltdurchschnitt von etwa 1950 zu erwarten. In Anbetracht der auch zukünftig anzunehmenden weltregionalen Ungleichverteilung bei der Nahrungserzeugung und dem Verbrauch dürfte ein solches Negativszenario der Welternährungsentwicklung mit Hungerkatastrophen bisher ungekannten Ausmaßes - in den allerärmsten Ländern der Erde - einhergehen. Kontrastieren lassen sich diese Vorstellungen durch das Positivszenario eines langfristig robusten Wachstumspfades der Weltwirtschaft, der auch in den ärmsten Ländern die Entwicklung einer gesicherten Nahrungsversorgung, innerhalb der kommenden Jahrzehnte, erlaubt. <091>

Der Begriff einer dynamischen Tragfähigkeit wird ergänzt um den einer maximalen Tragfähigkeit: Gemeint ist hiermit ein theoretischer Maximalwert der Erdbevölkerung, der von der Ausnutzung aller denkbaren Potenziale der Nahrungserzeugung ausgeht und als zusätzliche Annahme voraussetzt, dass keinerlei sonstige physische Grenzen - von der Ressourcenseite oder der Verschmutzungsseite her - das Wachstum stoppen. Ein aus den 1980er Jahren stammender Schätzwert des Ozeanographen Roger Revelle beziffert diese theoretisch maximale Tragfähigkeit - einer vermutlich bis zum letzten Quadratmeter erschlossenen Erde - auf etwa 25 Milliarden Menschen. <092>

Die Begriffsdifferenzierung wird schließlich mit dem Begriff einer stabilen Tragfähigkeit komplettiert. Hiermit ist eine Weltbevölkerungszahl gemeint, die über die nächsten Jahrhunderte oder gar Jahrtausende stabil gehalten werden kann, selbst wenn klimatische Veränderungen die Möglichkeiten zur Nahrungserzeugung verschlechtern sollten. Eine wesentliche Voraussetzung hierzu ist die vollständige ökologische Anpassung der menschlichen Produktionsformen, durch die eine - ebenfalls vollständige - Umkehrung der derzeitigen ökologischen Degeneration erreicht werden kann. Je schneller ein möglichst niedriger Wert der wieder stabilisierten Weltbevölkerung zustandekommt, desto höher sind die Chancen, möglichst dauerhaft im Bereich einer stabilen Tragfähigkeit zu bleiben. Ein genauer Wert kann hierfür zurzeit wissenschaftlich nicht überzeugend beziffert werden - die stabile Tragfähigkeit liegt irgendwo zwischen den Werten der noch erweiterbaren dynamischen und der theoretisch maximalen Tragfähigkeit. <093>

Der Kern der hier vorgelegten Arbeit besteht in der Darlegung von drei integrierten ökonomisch-demographischen Vier-Welten-Szenarien zur Abschätzung der globalen Entwicklungschancen bis zur Mitte des 21sten Jahrhunderts. Hierzu wird die Struktur eines aus vier Haupt-Weltregionen bestehenden politisch-ökonomischen Globalmodells, das der Politologe Joseph Huber in der Mitte der 1990er Jahre vorgelegt hat, anhand der neuesten empirischen Daten aktualisiert. Das Modell besteht insgesamt aus sieben Clustern, die zu vier Weltregionen zusammengefasst wurden: Einer Ersten Welt der industriellen Kernländer (unterteilt in 1a- und 1b-Gebiete), einer Zweiten Welt der industriellen Schwellenländer (unterteilt in 2a-, 2b- und 2c-Gebiete), sowie einer Dritten Welt der industriellen Entwicklungsländer und schließlich einer Vierten Welt der industriell unterentwickelten Länder. Derzeit leben 17 Prozent der Weltbevölkerung, gut eine Milliarde Menschen, in der Ersten Welt, in der 82 Prozent des erfassten Weltsozialprodukts erzeugt werden. Ebenfalls gut eine Milliarde Menschen (18 Prozent der Weltbevölkerung) leben in der Zweiten Welt mit einem Anteil von 11 Prozent des Weltsozialprodukts. In der Dritten Welt leben drei Milliarden Menschen, die Hälfte der heutigen Weltbevölkerung, mit einem Anteil von 6 Prozent des Weltsozialprodukts. In der Vierten Welt leben schließlich knapp eine Milliarde Menschen (15 Prozent) mit 1 Prozent des Weltsozialprodukts. <094>

An dieses Vier-Welten-Modell wurde ein langfristiges Szenario der Wirtschaftsentwicklung bis 2050 angelegt, das sich an Daten orientiert, die der Ökonom William D. Nordhaus zu Beginn der 1990er für die traditionellen Industrieländer errechnet hat. In Bezug auf die zentralen demographischen Kennziffern erfolgt eine Relativierung der Ergebnisse der Szenarien anhand der neuesten Weltbevölkerungsprojektionen der Vereinten Nationen. <095>

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Szenarien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die wirtschaftlichen Wachstumspotenziale der Ersten, Zweiten und selbst der Dritten Welt lassen es wahrscheinlich wirken, dass die Mehrheit der Menschheit bis zur Mitte dieses Jahrhunderts - mit einer Bevölkerungsstärke von rund 7,5 Milliarden Menschen - ökonomisch in Verhältnissen leben wird, die zwischen einem akzeptablen und einem luxuriösen Wohlstandsniveau liegen: Für die Erste Welt ergeben die Szenarien insgesamt eine Erhöhung des Nationaleinkommens pro Einwohner um den Faktor 3,3 - das projizierte Niveau von rund 73.650 US-Dollar, in 1998er Preisen, kann als luxuriös bezeichnet werden. Für die Zweite Welt liegt der Erhöhungsfaktor bei insgesamt 5,1 - das projizierte Niveau von durchschnittlich 14.280 US-Dollar (1998er Preise) kann als wohlhabend bezeichnet werden. Für die Dritte Welt beliefe sich der Erhöhungsfaktor sogar auf 12,2. Das auf der 1998er Preisbasis projizierte Wohlstandsniveau von 7.050 US-Dollar würde bereits merklich über den durchschnittlichen Einkommen der meisten heutigen Schwellenländer liegen und wirkt insofern zumindest akzeptabel. Der Abstand der Zweiten Welt zum 3,3fach erhöhten Einkommen der Ersten Welt würde nur noch 1:5 betragen und der Abstand der Dritten zur Ersten Welt hätte sich auf 1:10 verringert. Demographisch dürfte dies zu einer insgesamt bereits weitgehend stabilisierten Situation in den Regionen der Ersten, Zweiten und Dritten Welt geführt haben. <096>

Grundsätzlich problematisch bleibt dagegen vor allem die Entwicklung in der so genannten Vierten Welt der allerärmsten Länder, in denen in 2050 voraussichtlich etwa 2,7 bis 3,5 Milliarden Menschen leben werden. Eine integrierte Projektion der zentralen demographischen und ökonomischen Kennziffern legt nahe, dass dieses Segment der Weltbevölkerung bis zur Jahrhundertmitte bestenfalls das Niveau einer einfachen Existenzsicherung erreicht haben wird. Gewiss würden eine gesicherte Nahrungsversorgung, die Überwindung des Hungers und der allerschlimmsten Armut schon enorme Fortschritte darstellen! Die Einkommen pro Einwohner würden in 2050 eine projizierte Höhe von 670 bis 870 US-Dollar erreicht haben (1998er Preisbasis), was in etwa dem heutigen Niveau in China entspricht. Der absolute Erhöhungsfaktor beliefe sich, gegenüber 1998, damit maximal auf 2,9 und der Abstand zur Ersten Welt hätte sich nicht verrringert, sondern noch vergrößert, obwohl eine kontinuierliche Zunahme des jährlichen Wirtschaftswachstums - auf den unterstellten Zielwert von 5,0 Prozent in 2050 - angenommen wird. Zweifelhaft bleibt aber vor allem, ob die Länder der Vierten Welt parallel auch dazu in der Lage sein werden, aus eigener Kraft ihr Bevölkerungswachstum merklich und nachhaltig zu senken. <097>

Ein Ausbleiben grundsätzlicher Fortschritte einer in diesem Sinne orientierten Bevölkerungspolitik stellt aber eine ständige latente Gefährdung für die mäßigen wirtschaftlichen Fortschritte innerhalb dieser Weltregion dar. Letztlich kann es hierdurch zu einem katastrophalen weltregionalen Rückfall und Zusammenbruch - auf Grund der Überschreitung weltregionaler Tragfähigkeitsgrenzen - kommen. Eine solche weltregionale Katastrophe würde stark an die globalen Kollapslinien des "Überschuss-Modus" der Modelle der "Grenzen des Wachstums" erinnern. Die Wirkungszusammenhänge wären allerdings erheblich komplexer, als es diese frühen Computersimulationen abbilden konnten - auf welche Weise die politischen Folgen solcher denkbarer weltregionaler Katastrophen globale Ausmaße annehmen würden, bleibt weitgehend spekulativ. <098>

Feststellen lässt sich aber, dass für die Länder der Vierten Welt insgesamt eine ökonomische bzw. infrastrukturelle Entwicklungslücke zu erkennen ist, die nicht nur ihre eigene Entwicklung, sondern darüber hinaus auch die globale politische Stabilität gefährdet. Deshalb liegt es im Eigeninteresse der reichen Länder der Ersten Welt, durch erheblich gesteigerte Transferleistungen in die Vierte Welt deren infrastrukturelle Modernisierung zu unterstützen. Die Entwicklung einer überzeugenden und sachlich ausreichenden Sozialkomponente der Globalisierung, in Form eines gesichert finanzierten "Weltsozialfonds", erhöht die Chancen einer frühzeitigen Beendigung der "Weltbevölkerungsexplosion" erheblich - sie kann als entscheidender, bislang fehlender Faktor einer durchgängigen globalen Stabilisierung angesehen werden. Die Etablierung einer solchen Sozialkomponente der Globalisierung muss möglichst umgehend erfolgen, damit die weltweite Stabilisierung in der zweiten Hälfte des 21sten Jahrhunderts zu ihrem Abschluss gebracht werden kann. Dabei dürfte - nach den hier angestellten Überschlagsrechnungen - ein Mitteltransfer von weniger als 1 Prozent des Nationaleinkommens bzw. Sozialprodukts der Ersten Welt für eine tatsächliche Problemlösung ausreichend sein - eine Quote, die in Anbetracht der Bedeutung der Aufgabe eher bescheiden wirkt und ökonomisch verkraftbar sein sollte. <099>

Eine kritische Überprüfung der Ergebnisse dieser Studie sollte - mit Hilfe verfeinerter Modelle - zu einer eventuell nötigen Korrektur oder zu einer Bestätigung und Präzisierung führen. Ein solches Forschungsprojekt halte ich für eine dringende wissenschaftliche Aufgabe. <100> 

 


1 Detlef Georg Siebert ist Sozialwissenschaftler und unabhängiger Zukunftsforscher. Er arbeitete etwa acht Jahre lang an der Entwicklung und Verbesserung empirisch basierter Simulationsmodelle, unter anderem am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Neben der Entwicklung eines Prognosemodells für den bundesdeutschen Akademiker-Arbeitsmarkt - das bereits 1988 die jetzige Trendwende in Richtung einer Akademiker-Mangelsituation vorhersagte - erarbeitete er verschiedene Modifikationen der Forrester/Meadows-Modelle und analysierte weitere prominente sozialwissenschaftliche Globalmodelle. In den letzten Jahren analysierte er den "integralen Ansatz" von Ken Wilber, als möglichen neuen übergeordneten philosophisch-spirituellen Bezugsrahmen und erarbeitete einen Vorschlag zur Optimierung des geschichtsphilosophischen "Vier-Quadranten-Modells" von Wilber.

2 Als Maximum der Populationsstärke wurden verschiedene Werte errechnet. Forrester selbst gibt in der 1973er Version seines Originalmodells für den Überschuss-Modus eines fortgesetzten Wachstumspfades einen Wert von etwa 5,5 Milliarden Menschen um 2020 herum an (Jay W. Forrester: World Dynamics. Second Edition. Cambridge, Massachusetts 1973: 8ff bzw. 67ff). 1974 wurde das erheblich verfeinerte World3-Modell des Meadows-Teams veröffentlicht: In der Standardvariante des ungebremsten Wachstumspfades erreicht dieses Modell um 2030 bei etwa 7 Milliarden Menschen den Höhepunkt des Überschuss-Modus (vgl. "Run 7-6" in Dennis L. Meadows et al.: Dynamics of Growth in a Finite World. Cambridge, Massachusetts 1974). 1991 veröffentlichten die Meadows eine nochmals leicht modifizierte Modellvariante unter dem Namen World3/91 – hier "peakt" der Überschuss-Modus bei gut 8 Milliarden Menschen, ebenfalls um 2030 (Donella und Dennis Meadows / Jørgen Randers: Die neuen Grenzen des Wachstums. Reinbek bei Hamburg 1993: 166 und 295). Reproduzierte Grafiken verschiedener Läufe dieser Modelle finden Sie auch im Internet unter der oben genannten Adresse (Klick: Ältere Prognosen, Plausible Visionen ... für das 21. Jahrhundert).

3 Als herausragender Kritiker der "Grenzen des Wachstums" profilierte sich der renommierte Ökonom William D. Nordhaus - er rekapitulierte die Debatte zu Beginn der 1990er Jahre: "The discussion to this point and a careful study of the simplified LTG-type model [LTG = Limits-To-Growth] lead to one conclusion that was not always clear in the earlier debate about growth limits. While the LTG school argued that economic decline was inevitable and economists argued that the LTG argument was fallacious, the argument is ultimately an empirical matter. Put differently, critics would have gone too far had they claimed that the postulated pessimistic scenario could not hold. Perhaps the LTG school had little appreciation for the invisible hand. On the other hand, even a perfectly functioning price system could not prevent ultimate economic decline if any of the 'lethal conditions' analyzed above were to hold. A price system can signal absolute scarcity but cannot prevent it. Ultimately, then, the debate about future of economic growth is an empirical one, and resolving the debate will require analysts to examine fundamental structural parameters of the economy. Several critical issues must be examined. How large are the drags from natural resources and land? What is the quantitative relationship between technological change and the resource-land drag? How does human population growth behave as income rise? How much substitution is possible between labor and capital on the one hand, and scarce natural resources, land, and pollution abatement on the other? These are empirical questions that cannot be settled solely by theorizing." (William D. Nordhaus: Lethal Model 2: The Limits to Growth Revisited. In: Brookings Papers on Economic Activity, 2: 1992: 16)

Eine detailliertere Diskussion und Kritik dieser umfangreichen und komplizierten "Weltmodell-Debatte" wird im Rahmen des zweiten Buches meiner Reihe "Konzepte für eine Zukunft der menschlichen Evolution" unter dem Titel "Vision einer humanen Weltordnung" zu finden sein. Nach einem Modellbau-Boom, der sich bis etwa zur Mitte der 1980er hinzog, kamen diese Forschungen einer integrierten Abbildung der quantitativen Weltdynamik anschließend weitgehend zum Erliegen. In den späten 1990ern wurde - meines Wissens - lediglich das japanische Fugi-Modell im Sinne eines quantitativ-integralen Ansatzes weiter entwickelt und gepflegt (Akira Onishi: Fugi global model simulation. Integrated global model for sustainable development. Tokyo 1998).

4 "Die Menschheit scheint ... dem ewigen Elend entkommen zu können, das ihr Thomas Malthus im Jahr 1798 prophezeite. Seine Schicksalsgleichung bewies, dass sich die Bevölkerung in geometrischer Reihe 1, 2, 4, 8, 16 und so weiter vermehrt, während die Produktion von Nahrungsmitteln nur in der arithmetischen Reihe 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter steigen könnte. Wie man leicht sehen kann, hätte die vierfache Nahrung nach der vierten Verdoppelung der Bevölkerung kaum noch für jeden dritten gereicht. Doch das zweite Glied der Mathusschen Gleichung war schon in dem Augenblick überholt, als er es niederschrieb ... . Die Liebe zum Werkzeugmachen hatte sie ad absurdum geführt. In Großbritannien wuchs die Nahrungsmittelproduktion schneller als die Bevölkerung. Seither ist auch das erste Glied der Gleichung von der Erfahrung widerlegt worden. Bisher reduzierte jedes Volk, das seine Nahrungsmittelversorgung pro Kopf verbessern konnte, seine Fertilität." (Gerard Piel: Erde im Gleichgewicht: Wirtschaft und Ethik für eine Welt. Stuttgart 1994: 15)

5 "Peter Hazell, an economist at the International Food Policy Research Institute (IFPRI), projects grain demand in developing countries to 2025, assuming that everyone gets 3,000 calories a day - enough to meet the hidden food needs for the poor. On the supply side, he assumes that the historical rate of rise in yield per hectare will not slow. Even so, his model yields a shortfall in Africa of 215 million tons in 2025. For South Asia, essentially the Indian subcontinent, it yields a deficit of 260 million tons. Thus, for these two regions Hazell projects a net import deficit of 475 million tons in 2025, compared with the 526-million-ton shortfall that we project for 2030 for the entire world." (Lester R. Brown / Hal Kane: Full House. Reassessing the Earth's Population Carrying Capacity. New York / London 1994: 118)

6 "The world grain harvest of 2.1 billion tons in 2030 could satisfy populations of different sizes, depending on consumption levels. At the U.S. consumption level of 800 kilograms per person per year, it would sustain roughly 2.5 billion people. At the Italian consumption level of 400 kilograms, it could support just over 5 billion, roughly the 1990 world population. And at the Indian level of 200 kilograms, a harvest of 2.1 billion tons would support just over 10 billion people. Although many people aspire to the U.S. diet, population growth has foreclosed that option for much of humanity for the foreseeable future. ... At its peak of 346 kilograms in 1984, world grain output per person was well above the current average of roughly 300 kilograms of China and climbing toward the 400 kilograms of Italy. But that trend had been reversed. In 1993, the average was down to 303 kilograms. The projected harvest in 2030 would provide 240 kilograms for each of the 8.9 billion people projected for that year - some 29 percent below the 1984 historical high. Stated otherwise, average grain consumption per person for 2030 would be well below that of China today and would be approaching that of India." (Brown / Kane a.a.O.: 202f)

7 Im Jahr 2000 lebten in China 1,265 Milliarden Menschen, in Indien 1,002 Milliarden und in den traditionellen Industrieländern 862 Millionen. Datenquelle: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW): Weltbevölkerung 2000. Soziale und demographische Daten zu den Ländern und Regionen der Welt (Datenposter). Die DSW-Materialien können über das Internet unter www.dsw-online.de bestellt werden. Dieses DSW-Datenposter gibt einen Überblick der wichtigsten demographischen und sozialen Kennziffern aller Länder der Erde, ergänzt um die verfügbaren Angaben zum Brutto-Sozialprodukt (BSP) bzw. Brutto-Nationaleinkommen (BNE) pro Einwohner aus dem Jahr 1998. Mit Hilfe dieser Angaben habe ich eine Aktualisierung des von Joseph Huber vorgeschlagenen Vier-Welten-Modells vorgenommen (vgl. Joseph Huber: Nachhaltige Entwicklung. Strategien für eine ökologische und soziale Erdpolitik. Berlin 1995). Zusätzliche ökonomische Daten für die Jahre 1990 bis 1998 entstammen dem Nachweis der Weltbank. Online finden Sie diese Daten unter www.statistik-bund.de über "Zahlen & Fakten", "Basisdaten", "Auslandsstatistische Daten" bzw. im Statistischen Jahrbuch 2001 für das Ausland (Statistisches Bundesamt Deutschland). Für alle innerhalb dieser Arbeit gemachten ökonomischen Angaben pro Einwohner des Jahres 1998 sei die leichte statistische Inkonsistenz angemerkt, die sich daraus ergibt, dass sich die absoluten Bevölkerungszahlen auf das Jahr 2000 beziehen.

Die "traditionellen Industrieländer" sind dabei solche mit einem BSP von über 10.000 US-Dollar pro Einwohner in 1998. Im Einzelnen sind dies in Nordamerika: Kanada, Vereinigte Staaten; in Westasien: Israel; in Südostasien: Singapur; in Ostasien: Hongkong (Sonderverwaltungsgebiet Chinas), Japan; in Nordeuropa: Dänemark, Finnland, Großbritannien und Nordirland, Irland, Island, Norwegen, Schweden; in Westeuropa: Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz; in Südeuropa: Griechenland, Italien, Portugal, Spanien; sowie in Ozeanien: Australien, Neuseeland. Innerhalb des gegenwärtigen politisch-ökonomischen Globalsystems bezeichne ich diese Ländergruppe als (1a)-Gebiete. Unter der Bezeichnung (1b)-Gebiete habe ich die wichtigsten neu industrialisierten Länder (mit einem BSP von über 7.000 US-Dollar pro Einwohner in 1998), einige wirtschaftlich von den (1a)-Ländern abhängige Gebiete und die gegenwärtigen Beitrittskandidaten der Europäischen Union zusammengefasst. Im Einzelnen sind dies in der Karibik: Antigua und Barbuda, Bahamas (*), Barbados (*), Guadeloupe (*), Martinique (*), Niederländische Antillen (*), Puerto Rico (*); in Südamerika: Argentinien; in Westasien: Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Zypern; in Ostasien: Südkorea, Taiwan; in Nordeuropa: Estland; in Westeuropa: Liechtenstein (*), Monaco (*); in Osteuropa: Polen, Tschechische Republik, Ungarn; sowie in Südeuropa: Andorra (*), Malta, San Marino (*), Slowenien. Die Ländergruppe der "Ersten Welt" umfasst also insgesamt 49 Gebiete mit zusammen 1,042 Milliarden Einwohnern im Jahr 2000 (Weltanteil 17,2 Prozent). Die durchschnittliche Bevölkerungsvermehrung liegt zurzeit bei 0,3 Prozent pro Jahr und die (als Fertilität bezeichnete) durchschnittliche Kinderzahl beträgt 1,7 pro Frau. Der Durchschnitt des BSP bzw. Nationaleinkommens lag pro Einwohner und Jahr bei 22.507 US-Dollar in 1998 (* Gebiete ohne Wirtschaftsdaten) und die absolute Höhe des weltregionalen BSP der (1a)- und (1b)-Gebiete belief sich zu dieser Zeit auf etwa 23.450 Milliarden US-Dollar (Weltanteil 82,2 Prozent).

In meiner Klassifikation bildet diese Summe der (1a)- und (1b)-Gebiete die "Erste Welt der industriellen Kernländer". Für die übrigen Klassifikationen dieses Modells siehe die Anmerkungen 20, 21 und 22.

8 Vgl.: Brown / Kane a.a.O.: 168f.

9 Vgl. zur Bevölkerungsentwicklung in den verschiedenen Weltregionen: Piel a.a.O.: 122ff und v.a. 370ff, sowie im Haupttext Abs. 046-049 und 055.

10 Daten aus: Brown / Kane a.a.O.

11 Vgl.: Piel a.a.O.: 45.

12 Momentan dominiert in der Öffentlichkeit wieder eine eher technologisch-optimistische Grundstimmung. Gentechnik und Biotechnologie werden die Welternährungsprobleme schon irgendwie lösen: Vielleicht wird der Reis im nahenden Biotopia tatsächlich zehnmal so groß sein und nur noch halb so viel Wasser zum Wachsen benötigen. Vielleicht landen wir aber auch in Schildau und müssen feststellen, dass der Megareis leider auch nur ein Zehntel des Nährwerts hat. Die eher verhaltenen Einschätzungen der Möglichkeiten der Biotechnologie gehen davon aus, dass die langen Züchtungstraditionen uns schon seit einigen Jahrzehnten dicht ans Maximum des Nährwertertrags der Getreidesorten geführt haben. Fortschritte der Biotechnologie seien eher hinsichtlich lokaler Verbesserungen der Schädlingsresistenz zum Schutz vor Missernten - als hinsichtlich einer Steigerung der Erträge bei normalen Ernten - zu erwarten (vgl.: Brown / Kane a.a.O.: 139ff). Andererseits sind aber - auf der Basis eines optimistischen Szenarios der Weltwirtschaftsentwicklung - auch mittelfristige Lösungen für die Welternährungsprobleme denkbar, die heutzutage noch nicht auf der Hand liegen. Vgl. im Haupttext Abs. 030ff.

13 "1958 proklamierte [Mao Zedong] den Übergang zum 'Kommunismus', ein Schritt, den Lenin, Stalin und ihre Nachfolger nie getan hatten. In gigantischen Massenkampagnen wurde die Bevölkerung zu kräftezehrenden Arbeitseinsätzen in der Ernte, bei öffentlichen Bauten und der Errichtung zahlloser Miniaturhochöfen überall auf den Dörfern mobilisiert. Die letzten Reste von Privateigentum und individueller Lebensführung verschwanden während dieses 'Großen Sprungs nach vorn'. Wirtschaftlich gesehen, war der 'Große Sprung' heller Wahnsinn. Er endete in der weltweit schlimmsten Hungerkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Die Schätzungen der Bevölkerungsverluste zwischen 1959 und 1961 schwanken zwischen 14 und 30 Millionen. Im Westen nahm man davon wenig Notiz, vor allem weil Unruhen ausblieben und der gleichzeitige Abbruch der Beziehungen zwischen den einstigen sozialistischen Verbündeten China und der Sowjetunion die Aufmerksamkeit fesselte. Mao Zedong überlebte politisch das Debakel des 'Großen Sprungs' ..." (Der Brockhaus multimedial 2001 Premium, CD-Version, Stichwort "der große Sprung", Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus. Mannheim 2000)

14 Auf die Details dieses weltwirtschaftlichen Szenarios komme ich im Haupttext unter "Wirtschaftsszenario und weltsoziale Stabilitätshilfe" (Abs. 065ff) zurück.

15 Vgl. z. B. die Tabelle zur langfristigen Bevölkerungsentwicklung in: Der Brockhaus multimedial 2001 Premium a.a.O.: Stichwort "Bevölkerungsentwicklung", sowie zur Veranschaulichung auch die interessanten Schaubilder unter dem Stichwort "Weltbevölkerung" oder das Schaubild 17 in: Piel a.a.O.: 118.

16 Vgl. z. B.: Piel a.a.O.: 386f oder auch in: Alene Gelbard / Carl Haub / Mary M. Kent: Das Weltbevölkerungswachstum. Entwicklung und Perspektiven. Hannover 2000: 28ff (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung www.dsw-online.de).

17 Vgl. z. B. in: Meadows / Randers a.a.O.: 45ff, inklusive Abbildung 2-4.

18 Vgl.: Piel a.a.O.: 373 oder auch: Ernst Ulrich von Weizsäcker / Amory B. Lovins / L. Hunter Lovins: Faktor Vier. Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch. München 1995: 291. In den Details der UN-Bevölkerungsprojektionen hat es - in den letzten zwei Jahrzehnten - enorme Fortschritte gegeben. Vor allem konnte die empirische Datenbasis, in den industriell wenig entwickelten Weltregionen, erheblich verbessert werden. Die einzelnen Länder sind dadurch inzwischen eher in der Lage, ihre Position und deren Perspektiven im Rahmen des weltweiten demographischen Übergangs zu bewerten und möglicherweise gezielter zu beeinflussen. Für die im Haupttext folgenden Daten vgl. Gelbard et al. a.a.O.: 34, sowie die Grafik auf der Rückseite des DSW-Info: Weltbevölkerung. Entwicklung und Projektionen. Hannover 2000.

Trotz der verbesserten empirischen Datenbasis hat sich - auf Grund der extrem langen Projektionsspanne - an der Unsicherheit der Bevölkerungsprojektionen und an ihrer Gesamtspanne seit den frühen 1980er Jahren nichts Prinzipielles verändert. Die bereits eingangs erwähnte Korrespondenz der Spannen der - aus unterschiedlichen Quellen stammenden - Tragfähigkeitsberechnungen und Bevölkerungsprojektionen ist auffällig: Beide Spannen liegen zwischen 8 und 20 Milliarden plus x. Letztlich kann diese Korrespondenz der Spannen nicht verblüffen, weil es natürlich nur die Menschen selbst sind, die sich ihre Nahrung erzeugen - insofern entspricht die jeweilige dynamische Tragfähigkeit in etwa der tatsächlichen Anzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt lebenden Menschen. Diese dynamische Tragfähigkeit wird durch die Arbeit der Menschen erweitert, solange bis - auf Grund der genannten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen - entweder ein neues Gleichgewicht im Altersaufbau erreicht ist, oder bis weltregionale Grenzen der maximalen Tragfähigkeit überschritten werden und ein partieller Rückfall erfolgt. Diesen Zirkelprozess - einer sich zunächst selbst verstärkenden (positiven) und später hoffentlich selbst ausgleichenden (negativen) Rückkopplung - kann man von beiden Seiten aus versuchen abzuschätzen: also entweder von der Bevölkerungs- oder von der Ernährungsseite her. Die Korrespondenz der Spannen besagt also im Grunde nur, dass in den unterschiedlichen Quellen jeweils ordentlich gerechnet worden ist.

Das bestmögliche, weil perspektivisch am längsten zu haltende Minimalergebnis einer bereits in 2050 erreichten stabilen Bevölkerung von etwa 7,8 Milliarden Menschen ist das erklärte Ziel des "United Nations Population Fund (UNFPA)" seit 1994, vgl. Brown / Kane a.a.O.: 204. Dieses extrem ehrgeizige Ziel soll mit einem jährlichen Mitteltransfer in die ärmsten Weltregionen erreicht werden, der sich gegenwärtig - aus allen staatlichen und zwischenstaatlichen Quellen zusammen genommen - auf insgesamt weniger als 20 US-Dollar pro Jahr und Einwohner der Nehmerländer summiert. Ein zentrales Anliegen dieser Studie besteht darin zu zeigen, dass die Summe dieses Mitteleinsatzes wahrscheinlich sachlich - im Sinne der Zielerreichung einer Bevölkerungsstabilisierung - nicht ausreichend sein wird. Vgl. v. a. meine diesbezügliche Überschlagsrechnung im Haupttext Abs. 082ff.

19 Auf diese äußerst reale Gefahr des Rückfalls in eine "demographischen Falle" verweisen Brown / Kane a.a.O.: 55ff. Indizien für mögliche weltregionale Tragfähigkeitsgrenzen könnten sich aus einer verfeinerten qualitativen Bewertung von Dichteziffern der Bevölkerung ergeben: Das hochindustrialisierte Japan ist schon - trotz seiner technischen Möglichkeiten - bei der heutigen Bevölkerungsdichte von 338 Einwohnern pro Quadratkilometer nicht mehr dazu in der Lage, sich landwirtschaftlich selbst zu versorgen. Das insgesamt erheblich ärmere Indien kämpft bei einer fast genauso hohen Bevölkerungsdichte (306 Einwohner pro qkm) darum, die Versorgungsrelationen seiner weiter rapide wachsenden Bevölkerung zu sichern. Bis 2100 sollen sich die indische Bevölkerung, die Besiedlungsdichte und die Flächenverluste noch einmal in etwa verdoppeln. Bangladesch, eines der ärmsten Länder der Welt, hat schon heute mit 841 Einwohnern pro Quadratkilometer fast die Besiedlungsdichte des Ballungsraums um Paris (Ile-de-France: 911 Einwohner pro qkm) erreicht (Daten: eigene Berechnungen auf Grund der Absolutwerte aus: Der Brockhaus multimedial 2001 Premium a.a.O.). Die Annahme, dass eine landwirtschaftliche Selbstversorgung von Ländern wie Bangladesch, bei einer nochmals verdoppelten oder gar verdreifachten Siedlungsdichte, künftig noch möglich sei, wirkt illusorisch.

20 Die Abgrenzung der "Vierten Welt der industriell unterentwickelten Länder" erfolgte ebenfalls anhand der Angaben des DSW-Datenposters und der Weltbank (vgl. Anmerkung 7). Im Einzelnen finden sich in dieser Kategorie die folgenden Gebiete: In Nordafrika: Sudan; in Westafrika: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo; in Ostafrika: Äthiopien, Burundi, Eritrea, Kenia, Komoren, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Ruanda, Sambia, Simbabwe, Tansania, Uganda; in Zentralafrika: Angola, Kamerun, Kongo, Demokratische Republik Kongo (ehemals: Zaire), São Tomé und Principe, Tschad, Zentralafrikanische Republik; in Südafrika: Lesotho; in Zentralamerika: Honduras, Nicaragua; in der Karibik: Haiti; in Südamerika: Bolivien; in Westasien: Jemen, Syrien; im südlichen Zentralasien: Bhutan, Nepal, Pakistan; in Südostasien: Kambodscha, Laos; sowie in Ozeanien: Papua-Neuguinea, Salomonen, Samoa. Schließlich habe ich auch noch die folgenden Gebiete ohne Wirtschaftsdaten - auf Grund ihrer hohen Fertilität - der Vierten Welt zugeordnet: Libyen, Westsahara, Liberia, Dschibuti, Somalia, Irak, Katar, Oman, Afghanistan, Ost-Timor. Die für das Jahr 2000 gegebenen demographischen Summen bzw. Durchschnittswerte dieser aus 60 Gebieten bestehenden Ländergruppe wurden größtenteils im Haupttext schon erwähnt: Bevölkerung 921 Millionen (Weltanteil 15,2 Prozent), jährliche Bevölkerungsvermehrung 2,7 Prozent und Fertilität der durchschnittlichen Kinderzahl 5,8 pro Frau. Das BSP pro Einwohner lag in 1998 bei 299 US-Dollar und die absolute Summe des erfassten weltregionalen BSP belief sich zu diesem Zeitpunkt auf etwa 276 Milliarden US-Dollar (Weltanteil 1,0 Prozent).

21 Auch die Abgrenzung der "Dritten Welt der industriellen Entwicklungsländer" erfolgte anhand der Angaben des DSW-Datenposters und der Weltbank (vgl. Anmerkung 7). Ökonomisch wurde hier dasselbe Abgrenzungskriterium wie bei der Vierten Welt verwendet: ein unter 1.100 US-Dollar liegender BSP-Wert pro Einwohner in 1998. Der Unterschied liegt im zentralen demographischen Indikator der Fruchtbarkeit: bei den Dritt-Welt-Ländern liegt diese bereits bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von unter 4,0 pro Frau. Im Einzelnen finden sich in dieser Kategorie die folgenden Gebiete: In Südamerika: Guyana; in Westasien: Armenien, Aserbaidschan, Georgien; im südlichen Zentralasien: Bangladesch, Indien, Kirgisistan, Sri Lanka, Tadschikistan, Usbekistan; in Südostasien: Indonesien, Philippinen, Vietnam; in Ostasien: China, Mongolei; in Osteuropa: Moldau, Ukraine; sowie in Südeuropa: Albanien. Auch die folgenden Gebiete ohne Wirtschaftsdaten habe ich - auf Grund ihrer bereits reduzierten Fertilität - der Dritten Welt zugeordnet: La Réunion, Kuba, Französisch-Guyana, Kuwait, Turkmenistan, Brunei, Myanmar (Burna), Macau (Sonderverwaltungsgebiet Chinas), Nordkorea, Bosnien-Herzegowina, Jugoslawien, Französisch-Polynesien, Guam, Nauru, Neukaledonien, Palau. Für diese insgesamt 34 Gebiete ergeben sich die folgenden Summen bzw. Durchschnitte für 1998 (Ökonomie) bzw. 2000 (Demographie): Bevölkerung 3,004 Milliarden (Weltanteil 49,5 Prozent), jährliche Bevölkerungsvermehrung 1,3 Prozent und Fertilität der durchschnittlichen Kinderzahl 2,5 pro Frau. Das BSP pro Einwohner lag bei 579 US-Dollar und die absolute Summe des erfassten weltregionalen BSP belief sich in 1998 auf etwa 1.739 Milliarden US-Dollar (Weltanteil 6,1 Prozent).

22 Schließlich stützt sich auch die Abgrenzung der "Zweiten Welt der industriellen Schwellenländer" auf dieselbe Datenquelle des DSW-Datenposters und der Weltbank (vgl. Anmerkung 7). Bei dieser Ländergruppe sind die Abgrenzungskriterien komplexer als bei den anderen Gruppen. Es werden drei Untergruppen unterschieden: (2a)-, (2b)- und (2c)-Gebiete. Für alle gilt dasselbe ökonomische Kriterium eines zwischen 1.100 und 7.000 US-Dollar pro Einwohner liegenden BSP-Wertes in 1998. Bei den (2a)-Gebieten liegt die Fertilität bereits bei einem Wert, der kleiner oder gleich 2,5 ist. Im Einzelnen sind dies die folgenden Gebiete: In Ostafrika: Mauritius, Seychellen; in der Karibik: Dominica, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Trinidad und Tobago; in Südamerika: Brasilien, Chile, Suriname, Uruguay; in Westasien: Libanon, Türkei; in Südostasien: Thailand. Für diese (2a)-Gebiete ergeben sich die folgenden Summen bzw. Durchschnitte in 1998 (Ökonomie) bzw. 2000 (Demographie): Bevölkerung 324 Millionen, jährliche Bevölkerungsvermehrung 1,4 Prozent und Fertilität der durchschnittlichen Kinderzahl 2,3 pro Frau. Das BSP pro Einwohner erreichte 3.776 US-Dollar.

Bei den (2b)-Gebieten liegt dagegen der Wert der Fertilität noch bei über 2,5. Im Einzelnen finden sich in dieser Untergruppe die folgenden Gebiete: In Nordafrika: Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien; in Westafrika: Kap Verde; in Zentralafrika: Äquatorialguinea, Gabun; in Südafrika: Botswana, Namibia, Südafrika, Swasiland; in Zentralamerika: Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Mexiko, Panama; in der Karibik: Dominikanische Republik, Grenada, Jamaika; in Südamerika: Ecuador, Kolumbien, Paraguay, Peru, Venezuela; in Westasien: Jordanien, Palästinensische Autonomiegebiete, Saudi-Arabien; im südlichen Zentralasien: Iran, Malediven; in Südostasien: Malaysia; in Ozeanien: Fidschi, Kiribati, Marschallinseln, Mikronesien, Tonga, Vanuatu. Für diese (2b)-Gebiete ergeben sich die folgenden Summen bzw. Durchschnitte in 1998 (Ökonomie) bzw. 2000 (Demographie): Bevölkerung 556 Millionen, jährliche Bevölkerungsvermehrung 2,0 Prozent, Fertilität 3,3 pro Frau. Das BSP pro Einwohner erreichte 2.476 US-Dollar. Fasst man die (2a)- und die (2b)-Gebiete zu einer Gruppe zusammen, so ergeben sich die folgenden Summen bzw. Durchschnitte: Bevölkerung 880 Millionen, jährliche Bevölkerungsvermehrung 1,8 Prozent, Fertilität 2,9 pro Frau und ein BSP pro Einwohner von 2.954 US-Dollar.

Für die (2c)-Gebiete gelten schließlich dieselben quantitativen Kriterien wie für die (2a)-Gebiete - besonders abgegrenzt habe ich diese Gebiete aus dem folgenden Grund: Hier finden sich die wohlhabenderen ehemaligen Ostblock-Länder (ohne die EU-Beitrittskandidaten). Im Unterschied zu den anderen Zweit-Welt-Ländern liegt in den (2c)-Gebieten die Fertilität aber bereits unterhalb des Niveaus der Erst-Welt-Länder, obwohl der BSP-Wert pro Einwohner nur ein Zehntel desjenigen der Ersten Welt ausmacht und damit noch unterhalb desjenigen der (2b)-Gebiete liegt. Im Einzelnen finden sich in der (2c)-Kategorie die folgenden Gebiete: Im südlichen Zentralasien: Kasachstan; in Nordeuropa: Lettland, Litauen; in Osteuropa: Bulgarien, Rumänien, Russische Föderation, Slowakei, Weißrussland; in Südeuropa: Kroatien, Mazedonien. Für die (2c)-Gebiete ergeben sich die folgenden Summen bzw. Durchschnitte in 1998 (Ökonomie) bzw. 2000 (Demographie): Bevölkerung 219 Millionen, jährliche Bevölkerungsveränderung -0,4 Prozent, Fertilität 1,3 pro Frau. Das BSP pro Einwohner erreichte 2.168 US-Dollar.

Fasst man die 61 Gebiete der (2a)-, (2b)- und (2c)-Kategorien zur Zweiten Welt zusammen, so ergeben sich insgesamt die folgenden Summen bzw. Durchschnitte: Bevölkerung 1,099 Milliarden (Weltanteil 18,1 Prozent), jährliche Bevölkerungsvermehrung 1,3 Prozent, Fertilität 2,6 pro Frau. Das BSP pro Einwohner erreichte 2.797 US-Dollar und die absolute Summe des erfassten weltregionalen BSP belief sich in 1998 auf etwa 3.073 Milliarden US-Dollar (Weltanteil 10,8 Prozent).

23 Diese Szenarien sind eigene Berechnungen auf Grundlage der Angaben des DSW-Datenposters und der Weltbank (vgl. Anmerkung 7), der Länderabgrenzung aus Anmerkung 20, sowie den im Haupttext genannten Szenarien-Zielwerten für 2050.

24 Vgl. z. B. den Abschnitt "Die afrikanische Misere" in Piel a.a.O.: 174ff.

25 Zählt man die Bevölkerungszahlen der "Gebiete ohne Wirtschaftsdaten", die in den Anmerkungen 7, 20 und 21 benannt sind, zusammen, so ergibt dies einen Wert von 2,9 Prozent der heutigen Weltbevölkerung.

26 "Die Klimamaschine
Das Klima erscheint wie eine verlässliche Konstante, denn es verändert sich im Laufe eines Menschenlebens kaum. Betrachtet man allerdings geologische Zeiträume, wird ein ständiges Auf und Ab erkennbar. Der Meeresspiegel schwankt, Klimazonen verschieben sich, Eiszeiten wechseln mit Warmzeiten. Das einzig Verlässliche am Klima ist offenbar sein Wandel. Selbst die Atmosphäre, wie wir sie heute kennen, ist nicht von Dauer. Die Zusammensetzung der Lufthülle hat sich immer wieder verändert. Es dauerte Hunderte von Jahrmillionen, bis der Sauerstoffgehalt so weit angestiegen war, dass sich höheres Leben entwickeln konnte. Auch die Ozonschicht in der Stratosphäre, die das irdische Leben vor der schädlichen UV-B-Strahlung schützt, musste sich erst bilden. Bohrungen im grönländischen Eis zeigten, dass sich das Klima sogar sprunghaft ändern kann. Während der vergangenen 120.000 Jahre schossen die Temperaturen manchmal innerhalb von weniger als 100 Jahren um bis zu 6 Grad Celsius in die Höhe - und fielen mitunter ebenso rasch wieder.
Der Sonnenmotor

Für das klimatische Wechselbad sind viele Faktoren verantwortlich. Erst wenn man sie kennt, kann man abschätzen, was der Mensch mit seinen Eingriffen in die Natur anrichtet. Motor der Klimamaschine ist die Sonne, die ihre Energie recht gleichmäßig abstrahlt. Allerdings gibt es auch hier Veränderungen. Als die Wasserstofffusion vor rund 4,6 Milliarden Jahren zündete, strahlte die Sonne noch 40 Prozent weniger Energie in den Weltraum als heute. Möglicherweise verhinderte nur der hohe Treibhauseffekt der Uratmosphäre, dass die junge Erde in Kälte erstarrte. Seitdem legt die Sonne ständig an Kraft zu. Auch kurzfristig, im Verlauf von Jahrzehnten bis Jahrhunderten, ändert sie ihre Aktivität - wenn auch nur um wenige Promille. Sonnenflecken verraten solche Aktivitätszyklen. Außerdem rotiert die Erde nicht gleichmäßig um die Sonne. Sie fliegt in einer Ellipse, die sich im Rhythmus von 100.000 Jahren staucht und wieder bläht. Obendrein eiert die Erde: Die Neigung ihrer Drehachse gegenüber der Bahnebene schwankt alle 41'000 Jahre zwischen 21,6 und 24,6 Grad. Nicht zuletzt variiert der Zeitpunkt im Jahr, an dem die Sonne der Erde am nächsten steht, mit einer Periode von rund 23.000 Jahren. Dadurch ändert sich zwar nicht die Gesamtmenge der Sonnenstrahlung, die die Erde trifft, aber ihre regionale Verteilung. Die verschiedenen Klimazonen müssen mit erheblichen Schwankungen zurechtkommen. In den Polargebieten kann die sommerliche Einstrahlung um bis zu 10 Prozent variieren - genug, um Eiszeiten auszulösen.
Neben den astronomischen Konstellationen bestimmen vor allem die Ozeane das Klima. Wie stark ihr Einfluss ist, zeigt der Golfstrom, der Nordwesteuropa um 5 bis 10 Grad Celsius erwärmt, oder das Klimaphänomen El Niño. In einem El Niño-Jahr steigen die Wassertemperaturen im tropischen Pazifik um wenige Grad Celsius - und das Wetter gerät weltweit aus den Fugen. Die Weltmeere, die 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, transportieren nicht nur Wärme, sondern reichern auch die Atmosphäre mit Wasserdampf an. Sie sorgen damit für Niederschläge und für heftige Güsse: Über warmen Meeresregionen mit ihrer hohen Verdunstung können sich tropische Wirbelstürme bilden, in deren Gefolge stets Sturzregen niedergehen. Außerdem findet zwischen Wasser und Luft ein ständiger Gasaustauch statt, bei dem ein großer Teil des anthropogenen Kohlendioxids aus der Atmosphäre ausgewaschen wird.
Auch die Kontinente haben einen vielfältigen Einfluss auf das Klima: Ihre geographische Verteilung bestimmt den Verlauf von Meeresströmungen, Gebirgsketten lenken den Wind in bestimmte Richtungen, die Vegetation nimmt Kohlendioxid auf und kurbelt den atmosphärischen Wasserkreislauf an. Die Wälder spielen eine besonders wichtige Rolle. Das Roden der Tropenwälder belastet die Atmosphäre jährlich mit mindestens 6 Gigatonnen Kohlendioxid. Auch Gletscher und Schneefelder, die in den Polarregionen riesige Flächen bedecken, beeinflussen das Klimasystem. Sie reflektieren die Sonnenstrahlung, sodass die Wärme gleich wieder in den Weltraum abgestrahlt wird. Die Ozeane schlucken jedes Jahr 1,4 bis 2,8 Gigatonnen Kohlenstoff.
Vulkane sorgen für Kühlung
Vulkane sind - neben Meteoriteneinschlägen - die größten Schadstoffverursacher der Natur. Ihre riesigen Aschewolken stehen in ihrer Wirkung den Emissionen der Menschen kaum nach. Schon in ruhigen Jahren schwitzen die knapp 100 aktiven Vulkane rund 14 Millionen Tonnen Schwefeldioxid aus. Bei schweren Eruptionen werden weit größere Mengen frei, die vor allem in der Stratosphäre viel Unheil anrichten. Das Schwefeldioxid verwandelt sich dort in Schwefelsäuretröpfchen, die wie eine Sonnenbrille die Sonnenstrahlung abschirmen. Die Folge: Auf der Erde wird es kühler.
Als im April 1816 in Indonesien der Tambora explodierte, mussten die Bewohner Europas und Nordamerikas mitten im Sommer ihre Winterkleidung aus dem Schrank holen, auf der Schwäbischen Alb fiel sogar Schnee. Nach Modellrechnungen senkte damals der Schleier von Schwefelsäure-Aerosolen die Mitteltemperatur über mehrere Jahre hinweg um 3 bis 5 Grad Celsius. Auch der Ausbruch des Pinatubo 1991 auf den Philippinen kühlte die Atmosphäre, wenn er auch die zunehmende Erwärmung durch den Treibhauseffekt nicht rückgängig machen konnte. Die Aerosole senken nicht nur die Temperaturen, sondern zerstören auch in der Stratosphäre das Ozon und verstärken so die aggressive Ultraviolettstrahlung. Bei den heftigen Eruptionen der letzten Jahrzehnte büßte die Ozonschicht bis zu 10 Prozent ihrer Substanz ein und erholte sich erst nach ein bis zwei Jahren wieder.
Der Rückblick in die irdische Vergangenheit lehrt vor allem eines: Das Klimasystem ist nicht stabil, sondern kann ganz verschiedene Gestalt annehmen - auch wenn es natürliche Mechanismen gibt, die Störungen kompensieren. Steigt zum Beispiel der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre, nehmen Vegetation und Ozeane einen Teil davon wieder auf. Experten sprechen dann von einer negativen Rückkopplung. Doch es gibt auch positive Rückkopplungen, die eine Störung verstärken und das Klima vollends aus dem Lot bringen können. Wenn sich zum Beispiel die Eis- und Schneeflächen weltweit ausdehnen, kommt ein Prozess in Gang, der sich selbst verstärkt. Die weißen Flächen werfen die eingestrahlte Sonnenwärme ins All zurück und kühlen damit die Erde ab. Heben sie das mittlere Reflexionsvermögen der Erdoberfläche, das derzeit rund 30 Prozent beträgt, nur um ein Prozent an, sinkt die globale Mitteltemperatur um 2,5 Grad Celsius. Dadurch kann sich noch mehr Eis bilden und es wird noch kälter - ein Teufelskreis.
Wenn der Golfstrom ins Stocken kommt
Wesentlich rascher noch als durch Rückkopplungen kann das Klima kippen, wenn eine Triebfeder ausfällt. Das Wasser in den Ozeanen ist in ständiger Bewegung und transportiert Wärme, die für das Klima eine ausschlaggebende Rolle spielt. Reißt das weltweite Band der Meeresströmungen, geraten fast über Nacht alle Klimazonen durcheinander - mit gravierenden Folgen für Mensch und Natur. Dass dies durchaus geschehen kann, zeigt das Beispiel des warmen Golfstroms, der von Florida nach Nordeuropa zieht. Er kam schon mehrmals ins Stocken, zuletzt vor 12.000 Jahren, und bescherte Europa eiskalte Jahrhunderte. Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt, dass sich dieses Szenario wiederholen könnte. Nach seinen Modellrechnungen wird der zunehmende Treibhauseffekt die warme Meeresströmung im kommenden Jahrhundert spürbar - um 15 bis 50 Prozent - schwächen. Denn steigende Temperaturen führen im Nordatlantik zu verstärkten Niederschlägen, obendrein schmelzen große Teile der grönländischen Gletscher ab. Die größere Menge an Süßwasser verringert die Dichte des atlantischen Oberflächenwassers so, dass im hohen Norden weniger kaltes Wasser als bisher in die Tiefe sinkt. Die gesamte ozeanische Zirkulation geriete dann ins Stocken. Denn nur im Sog dieses Absinkens strömt Wasser aus dem Süden nach und hält die Strömung in Gang. Denkbar wäre sogar, dass der Golfstrom ganz erlahmt. Die Temperaturen würden dann in Nordeuropa um durchschnittlich 10 Grad Celsius sinken. ...
Anzeichen für eine Klimaänderung
Die Menschen hatten bisher Glück: Nach dem turbulenten Auf und Ab der letzten 100.000 Jahre beruhigte sich das Klima vor rund 10.000 Jahren, dem Beginn der heutigen Warmzeit. In einer ausgeglichenen Epoche konnte die Zivilisation aufblühen. Doch jetzt kommt wieder Schwung ins atmosphärische Getriebe. Der derzeitige Klimawandel scheint sich so rasch zu vollziehen, dass bereits ein Menschenleben genügt, um die Veränderungen wahrzunehmen." (Klaus Jacob, aus: Der Brockhaus multimedial 2001 Premium a.a.O.: Stichwort "Klimaänderung: Ursachen und Prognosen")

27 Zunächst müsste hierzu eine neue zeitgemäße Modellierung der ökologisch, ökonomisch, politisch und sozial bestimmten Weltdynamik erfolgen, die die Komplexität des Übergangs zu einem nachhaltig stabilisierten Globalsystem überzeugend abbildet. Ein solches Modellierungsprojekt wäre auch beim heutigen Kenntnisstand noch extrem ambitioniert, insofern es immer noch eine Prognosespanne von über 100 Jahren darstellen müsste. Immerhin liegen, im Vergleich zu 1970, heutzutage für eine Reihe zentraler Variablen empirisch begründete Parameter aus den betroffenen Einzelwissenschaften vor. Es besteht also die Chance, zu weniger strittigen Ergebnissen zu gelangen, als das für die Forrester/Meadows-Modelle möglich war.

Die möglichen Ausgangspunkte eines solchen Modellierungsprojekts - für eine empirisch und systemisch begründete Abschätzung der stabilen Tragfähigkeit der Erde - wurden im Rahmen dieser Arbeit größtenteils schon genannt: Für den demographischen Bereich liegen uns die Ausgangsdaten der Projektionen der Vereinten Nationen bzw. die DSW-Daten (vgl. Anmerkung 7) vor. Die meisten zentralen ökologischen Variablen und Parameter dürften durch die Tragfähigkeitsstudie des Worldwatch Institutes (Brown / Kane a.a.O.) abgedeckt werden. Für die relevanten ökonomischen Parameter ist - neben den aktuellen empirischen Daten - der Bezug auf die Nordhaus-Kritik an den "Grenzen des Wachstums" möglich (Nordhaus a.a.O.). Mit der Produktionsfunktion seines vereinfachten "LTG-models" bietet uns Nordhaus überdies bereits den ökonomischen Kern eines Modelldesigns an. Dieses Design bedarf noch der Verfeinerung im Hinblick auf die ökologischen Aspekte der Weltdynamik. Ferner ist eine angemessene weltregionale Differenzierung und schließlich eine Verknüpfung mit zentralen sozialen und politischen Variablen nötig. Hervorragende Anknüpfungspunkte hierfür dürfte das Design des politisch-ökonomischen Globalmodells liefern, das unter der Supervision von Karl W. Deutsch in den 1980ern am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erarbeitet wurde (Stuart A. Bremer (Editor): The Globus Model. Computer Simulation of Worldwide Political and Economic Developments. Frankfurt a. M. / Boulder, Colorado 1987). Zur Abbildung der postkommunistischen Struktur des jetzigen politisch-ökonomischen Globalsystems bietet sich ferner eine Anlehnung an das bereits erwähnte Vier-Welten-Modell von Huber an. Zu prüfen bliebe ferner, welche zusätzlichen Anregungen sich eventuell aus den Designs anderer aktueller Modellkonstruktionen der späten 1990er gewinnen lassen.

Selbst eine solche Modellierung würde allerdings noch nicht wirklich hinreichend sein, um die Größe einer stabilen Tragfähigkeit abzuschätzen. Insofern "stabil" einen über mehrere hundert oder gar tausend Jahre haltbaren Zustand meint, müsste letztendlich ein überzeugend konstruiertes ökologisch-ökonomisch-politisches Globalmodell, das die Gesamtspanne des weltweiten demographischen Übergangs abbilden kann, mit den Modellierungen der Klimaproblematik verknüpft werden, um zu sehen, in welchen Weltregionen welche klimatisch bedingten Einbrüche wann wahrscheinlich werden und vor allem: wie dem rechtzeitig entgegengewirkt werden kann.

28 Vgl. oben Abs. 002. In der Aktualisierung der "neuen Grenzen des Wachstums" hört sich dies folgendermaßen an: „Im Szenario 10 haben wir wieder eine Modellwelt vor uns, in der ab 1995 zwei Kinder pro Familie erwünscht sind und dieses Ziel auch erreicht wird, weil man über eine perfekte Geburtenkontrolle verfügt. Die Modellwelt beschränkt die Industrieproduktion pro Kopf auf 350 Dollar jährlich. Zusätzlich setzt sie aber auch ab 1995 neuartige Technologien ein, mit denen sie die Wirksamkeit der Rohstoffnutzung erhöht und die Emissionen pro Produkteinheit senkt. Die Erosion landwirtschaftlicher Flächen wird beschränkt und der Ertrag gesteigert, bis die Nahrungsmenge pro Kopf die gewünschte Höhe erreicht." (Meadows / Randers a.a.O.: 238f) Die Frage, wie Derartiges real politisch umzusetzen sei, konnte niemals überzeugend beantwortet werden. Vermutlich wären derartig plötzliche Brüche nicht einmal einer absoluten Weltdiktatur möglich, deren Durchsetzungsmacht alle historisch bekannten Brutalitäten der totalitaristischen Regime der Moderne übersteigen würde. Zum besseren Verständnis sei nebenbei erwähnt, dass die in dem Zitat genannte 350-Dollar-Grenze der Industrieproduktion sich auf die Originalpreisbasis des Modells, den US-Dollar des Jahres 1968, bezieht.

29 Die umfangreiche empirische - aber trotzdem mit vielen Schätzproblemen behaftete - Datenbasis, die Nordhaus zur Quantifizierung der einzelnen Unterpunkte seiner "Wachstumshemmung" benutzt, hat er über eine Zeitspanne von zwei Jahrzehnten selbst erarbeitet oder aus anderen Quellen zusammengetragen. In Tabelle 3 seiner Arbeit (Nordhaus a.a.O.: 31) fasst er diese Ergebnisse für die Unterpunkte Energie-Ressourcen, sonstige Mineralien, Entropie, Land, Treibhaus-Effekt und lokale Verschmutzungen zusammen. Letztlich ergibt sich dabei eine prognostizierte rohstoff- und umweltbedingte „Hemmung des Wirtschaftswachstums" für die Jahre bis 2050 von 0,31 Prozent pro Jahr. Nordhaus selbst (a.a.O.: 36ff) beschreibt dieses Ergebnis folgendermaßen:

„Table 3 collects the estimates from different studies. I must emphasize that these figures are extremely tentative. They rely upon different models and disparate assumptions. While on the whole they represent the state of today's knowledge about the constraints on growth for high-income countries, they cannot foresee future technological developments or new problems that may arise. Most importantly, they are incomplete; they leave out a number of significant ecological problems (such as tropical deforestation, plagues, or genetic depletion) that may in the future prove significant.
Subject to these reservations, my estimate is that the six factors identified in table 3 will slow economic growth to the middle of the next century by about 31 basis points, or approximately one-third of a percentage point a year. ... This growth rate compares with an estimated baseline growth rate, in the models underlying these estimates, of 2.6 percent a year for total output and 1.6 percent a year for per capita output. After taking account of the resource drag, total growth would decline to 2.29 percent a year, while per capita output growth under these estimates would slow this to 1.29 percent (129 basis points) a year.
Roughly speaking, then, I estimate that per capita output growth will slow by about one-fifth because of the resource constraints examined in table 3. ... I have repeatedly emphasized that our estimates are crude, the models are primitive, the future is uncertain, and our ignorance is vast. But it is hardly interesting to say we don't know, so I will hazard the guess that resource constraints are likely to be a small but noticeable impediment to economic growth over the next few decades in advanced industrial countries - although an obstacle that will continue to be surmounted by technological advance."

30 "That is, technological change must exceed one-quarter of 1 percent a year to overcome the growth drag in this simple case. Historical rates of total factor productivity, h, in developed countries have been on the order of 0.01 to 0.02 [1 to 2 percent], which is well in excess of the rate required to offset resource exhaustion and diminishing returns ..." (Nordhaus a.a.O.: 16)

31 Dies wird anhand der Differenz der Raten von 2,6 Prozent für den "total output" und 1,6 Prozent für den "per capita output" im Zitat der Anmerkung 29 deutlich.

32 Vgl. in: Internationaler Währungsfonds (IWF): Jahresbericht 2000. Washington D.C.: 14, Schaubild 1.1. Für die 1990er Jahre lag dieses durchschnittliche jährliche Wachstum der weltwirtschaftlichen Gesamtproduktion bei 3,4 Prozent, vgl. im eben genannten Jahresbericht die Daten von 1992 bis 1998 in Tabelle 1.1 und die für 1999 und 2000 aus: International Monetary Fund (IMF): World Economic Outlook, May 2001. Washington D.C.:Table 1.1. Beide Quellen sind derzeit online via www.imf.org als PDF-Dokumente verfügbar.

33 Dieser Durchschnittswert beruht auf meiner Länderabgrenzung der Anmerkung 7. Entsprechendes gilt für die in den folgenden Absätzen des Hauptextes genannten empirischen Durchschnittswerte für die Zweite, Dritte und Vierte Welt, die ich als Ausgangswerte der Projektionen für 1998 verwendet habe (vgl. auch die Anmerkungen 20, 21 und 22).

Bezieht man die Aufschwungjahre 1999 und 2000 mit in die Berechnung ein, so ergibt sich ein Wert, der über der Nordhaus-Schätzung liegt: Für die klassischen G7-Staaten (Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Vereingtes Königreich und Kanada), die knapp 80 Prozent der Wirtschaftskraft meiner Erst-Welt-Kategorie produzieren, errechnet sich eine durchschnittliche Wachstumsrate der Gesamtproduktion von knapp 2,7 Prozent für die Jahre 1992 bis 2000 entsprechend der IWF-Quellen in Anmerkung 32. Im Rahmen einer Fünf-Jahrzehnte-Prognose dürfen die mittelfristigen Konjunkturschwankungen - die je nach der ausgewählten Zeitspanne der Durchschnittswerte zu unterschiedlichen Ergebnissen führen - nicht überbewertet werden.

34 Entsprechend der IWF-Quellen in Anmerkung 32 ergibt sich für die "Transformationsländer" des ehemaligen Ostblocks insgesamt eine durchschnittliche jährliche Veränderung der Gesamtproduktion von knapp -2,5 Prozent für die Jahre 1992 bis 2000 - positive Werte wurden erst wieder in 1997 (+1,7 Prozent), 1999 (+2,6 Prozent) und 2000 (+5,8 Prozent) erreicht.

35 Vgl. Huber a.a.O.: 103.

36 Für die Länderabgrenzung der Ersten Welt, innerhalb meiner Anmerkung 7, ergibt sich gemäß der dort genannten Quelle der Weltbank-Daten für 1998 ein Durchschnittswert von 23.860 "internationalen Dollar" des Nationaleinkommens pro Einwohner. Diese auch als "Kaufkraft-Parität (KKP)" bzw. "purchasing power parity (ppp)" bekannte Einheit lässt sich zum entsprechenden Durchschnittswert in tatsächlichen US-Dollar in Beziehung setzen - wir erhalten dann eine Kaufkraft-Relation der Ersten Welt von 1,06 (23.860 KKP / 22.507 US-Dollar). Für die Ländergruppe der Vierten Welt, aus Anmerkung 20, ergibt sich entsprechend eine Kaufkraft-Relation von 4,56 (1.364 KKP / 299 US-Dollar). Insgesamt führt dies folglich zu einer Kaufkraft-Relation zwischen Erster und Vierter Welt von 1:4,3 (1,06 / 4,56).

37 Alle Angaben zur offiziellen Entwicklungshilfe sind eigene Berechnungen auf der Basis von Online-Recherchen in den Datenbanken der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Web: www.oecd.org/dac/htm/online.htm). Eine ökonomische Belastung durch die Entwicklungshilfe in Höhe von insgesamt rund 0,24 Prozent des Nationaleinkommens der Ersten Welt dürfte im Prinzip realistisch sein. Als Kontrollrechnung lässt sich die Summe aller offiziellen Transfers der G7-Staaten an die Entwicklungsländer, die Transformationsländer und die multilateralen Institutionen auf das Nationaleinkommen dieser Ländergruppe beziehen - für 1998 ergibt dies einen Wert von 0,23 Prozent. Die Daten der von der Vierten Welt empfangenen Transfersummen in Abs. 087 sind eigene Aggregationen der Länderangaben der OECD auf Grund der Länderauswahl in Anmerkung 20.


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